Poesie der Weinbeschreibung

| 26. Juni 2011 Alles lesen

Seien wir einmal ehrlich und seien auch Sie zu sich selbst ehrlich. Können Sie mit gutem Gewissen behaupten, dass Sie all die Aromen schmecken und identifizieren können die in den Weinbeschreibungen angeführt sind und die uns allein schon beim Lesen das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen?

Sind Sie in der Lage, ob der Hauch von Mango, der gerade von einem Anflug von Röstaromen umweht wird und sich auf feiner und unaufdringlicher Säure tragen lässt, wirklich aus dem Wein heraus zu lesen?

Dann sind Sie auf jeden Fall ein Weinexperte, Sommelier oder sonstiger ausgewiesener Sensorik-Profi. Dazu gratuliere ich Ihnen und versichere Sie meines Respekts und meiner neidlosen Hochachtung. Menschen die das können sind aussergewöhnlich und haben eine faszinierende Gabe.

Wenn Sie das allerdings nicht können ist es aber auch kein Grund in Depressionen zu verfallen. Das Thema Weinsensorik ist dermaßen diffizil und komplex, dass Wissenschaftler und Experten Bücher schreiben die für den Kenner logisch, für “nicht Geschulte” aber sehr oft auch unverständlich sind. Machen Sie sich deshalb nichts draus. Sie haben etwas anderes, vielleicht sogar noch viel aufregenderes und spannenderes. Nämlich Ihre Phantasie. Allein zu lesen wie Weine schmecken, riechen usw. aktiviert die Sinne und beflügelt sie, spornt sie sozusagen zu Höchstleistungen an.

Phantasie lässt uns träumen

Genau diese Phantasie ermöglicht es Ihnen auch zu träumen wenn Sie lesen was der Wein alles “kann”, wonach er riecht und schmeckt, wie er sich verhält, entwickelt und zum Höhepunkt gelangt. Es ist wie mit einem guten Buch. Je besser und fesselnder es geschrieben ist umso eher nimmt es uns gefangen und lässt uns immer weiterlesen. Genau so ist es auch mit einer guten Weinbeschreibung. Beobachten Sie sich einmal selbst dabei wie Ihr Mund wässrig wird wenn Sie lesen wie angenehm die Säure eines Weins über den Gaumen strömt oder wie wohlig Ihnen wird wenn Sie lesen wie schwer und füllig sich der Rote auf der Zunge anschmiegt. Sie können förmlich riechen wie sich Mango-, Apfel- oder Limettenduft in Ihrer Nase festsetzt und Sie spüren sprichwörtlich den nicht enden wollen Abgang dieses edlen Rotweins. Und das alles obwohl Sie nicht einmal ein Glas Wein vor sich stehen haben. Die Macht des Wortes ist in diesem Fall einfach überwältigend und vor allem anregend.

Aus diesem Grund rede ich hier von der “Poesie der Weinbeschreibung”. Nichts anderes ist es nämlich und wenn Sie das nächste Mal wieder eine “professionelle” Verkostungsnotiz lesen, dann lassen Sie darauf ein, lassen Sie sich gefangen nehmen von dieser Form der Sprache und geniessen Sie die Vorfreude die sie zu vermitteln in der Lage ist. Wenn Sie die Flasche dann geöffnet haben legen Sie sich die Beschreibung zur Seite und versuchen Sie einmal ganz bewusst all das zu erkennen was so schön beschrieben wurde. Selbst wenn Sie nichts von den besagten Aromen, Düften und sonstigen “Fähigkeiten” wieder erkennen bzw. identifizieren können; wenn Ihnen der Wein schmeckt macht den Rest Ihre Phantasie.

Professionelle Weinbegleitung

Ich persönlich habe immer Verkostungsnotizen von Experten sowie eine generelle Weinbeschreibung neben der Flasche liegen und somit praktisch eine “professionelle Trink-Begleitung”. Der Grund dazu ist ebenso einfach wie banal: Ich mag es über den aktuellen Wein auch während der Verkostung soviel Information wie möglich zu erhalten. Es macht mir einfach Spass zu versuchen, ob ich alles nachvollziehen oder erkennen kann, oder ob sich meine Wahrnehmungen komplett unterscheiden. Versuchen Sie das ruhig einmal. Vielleicht entwickelt sich daraus sogar ein neues Hobby.

Der Ehrlichkeit halber sei aber auch angemerkt, dass viele Weinproduzenten sich professioneller “Unterstützung” bedienen und PR- und Werbeagenturen damit beschäftigen, unwiderstehliche Texte und Beschreibungen zu produzieren welche die richtigen Reize auslösen sollen und Sie regelrecht “aktivieren”. Im Grunde nichts verwerfliches, nur sollten Sie das auch wissen und mit entsprechendem Abstand betrachten. Schlechter Wein lässt sich auch durch Pressetexte nicht besser machen. Wenn er Ihnen nicht schmeckt hilft auch der beste Text nichts.

Anmerkung: Wenn Sie Ihre Sensorik-Kenntnisse schulen und erweitern wollen, dann empfehlen wir Ihnen das Buch Sensorik – Für Praktiker und Genießer.
Oder besuchen Sie doch einmal ein spezielles Sensorik-Seminar. Einige ausgewählte Anbieter finden Sie auf unserer Seite Seminare & Kurse.

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Kategorie: Blog

Kommentare (2)

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  1. Luisa sagt:

    Tolle Plattform, die Beiträge sind sehr informativ und für Wein-Laien genau richtig. Ich lese gerne hier und komme bestimmt wieder :)

    • Leo sagt:

      Hallo Luisa,

      das freut mich zu lesen. Ich wünsche dir weiterhin viel Spass und neue “Erkenntnisse” :)

      Leo