Verkostungsarten

| 16. Juni 2011 Alles lesen

Wie immer wenn man in geselliger Runde beisammen sitzt und eine schöne Flasche Wein verkostet, kommt irgendwann das Thema “Dekantieren” auf. Ob sinnvoll ja oder nein, wann und bei welchen Weinen, wie lange usw. Fragen über Fragen, und wie so oft gibt es dazu noch mehr Antworten und unterschiedliche Ansichten. Über das Thema wurde bereits hier und hier berichtet, weshalb ich heute, dem Anlass entsprechend, meine eigene “Verkostungs-Prozedur” verraten möchte.

Habe ich den Wein meiner Wahl gefunden und erstanden, dann informiere ich mich zuerst einmal eingehender über diesen Tropfen. Ich mache das weil es mich generell interessiert mehr über den gekauften Wein, über die Anbauregion, den Winzer und das Weingut und vieles zu erfahren. Es ist für mich eine Art Vorspiel und es gehört einfach dazu in Büchern und im Internet meine Neugier zu befriedigen.

Es gibt immer zwei Möglichkeiten

Da ich sehr gerne experimentiere und völlig unvoreingenommen an jeden Wein heran gehe, stehe ich natürlich immer vor der Frage: “Karaffieren oder nicht?” Einerseits will ich den mir unbekannten Wein dabei beobachten wie er sich im Laufe der Verkostung entwickelt, auf der anderen Seite bin ich aber genau so neugierig wie er sich voll entfaltet präsentiert. Aus diesem Grund erstehe ich grundsätzlich immer zwei Flaschen des selben Weines und verkoste diese auf zwei unterschiedliche Arten.

Die erste Flasche wird auf “konventionelle” Art erforscht. Das heisst, sie wird geöffnet, ca. 15-20 Minuten stehen gelassen und dann verkostet. Dabei hat man die grossartige Möglichkeit zu beobachten wie sich der Wein entfaltet und sich von Glas zu Glas mit der Zeit entwickelt. Man kann schmecken wie sich der Wein öffnet, wie er “Fahrt aufnimmt” und sich mit der Zeit verändert. Oft ist es sogar so, dass der erste Schluck nicht wirklich schmeckt, oft völlig unbefriedigend und manchmal soagr abschreckend ist. Und dann stellt man fest, wie sich der Wein mit Luft und Zeit zu einem wirklich guten Tropfen entwickelt.

War er vorher noch wild und ungestüm, kann man jetzt verfolgen wie er sanfter oder runder wird. Man kann erleben wie sich Aromen langsam ausbreiten, wie er an Körper und Volumen gewinnt und immer länger seine wahren “Talente” zeigt. Man kann beobachten wie sich die Nase immer mehr in gewisse Aromen verliebt, wie würzige Noten an Kraft gewinnen und vieles mehr. Das ist spannend, lehrreich und in der Regel ein wahrhaft tolles Geschmackserlebnis. Einige Stunden Zeit sollte man sich dafür aber schon nehmen, will man doch den Wein geniessen und ihn langsam und mit Muße erforschen. Am besten zu zweit, um sich über den Wein auch austauschen zu können.

Zeit und Luft wirken wahre Wunder

Die zweite Flasche wird dann ein paar Tage später geöffnet, karaffiert und mit ausreichend Luft versorgt. Da hat man den Geschmack der ersten Flasche noch gut im Gedächtnis und somit die Möglichkeit, den unmittelbaren Unterschied klar zu erkennen. Der Wein wird in eine entsprechende Karaffe umgefüllt und dann, je nach Wein und “Belüftungsvorschlägen”, für den entsprechenden Zeitraum stehen gelassen. Das kann von 20, 30 oder 40 Minuten bis zu ein paar Stunden sein. Um den Gaumen auf das bevorstehende Erlebnis einzustimmen, wird der letzte Rest der Flasche (ca. 1/16) in ein Probierglas eingeschenkt und getrunken. Nachdem die gewünschte Zeit verstrichen ist geht es dann an die Karaffe um zu sehen, wie sich der Wein unter diesen Umständen entwickelt hat. Dabei wird regelmässig festgestellt, dass die angegebenen Dekantier- bzw. Belüftungszeiten so gut wie immer ihren Zweck erfüllen und den Wein in einem Zustand präsentieren, der sich von meiner konventionellen Art der Verkostung immer wieder erheblich unterscheidet.

Zusammengefasst ist zu sagen, dass beide Arten ihr Vorzüge haben und je nach Tageslaune, Erwartung und Zweck, gleich gut sind. In privater Runde spricht sicher einiges für die zeitgerechte Karaffierung des Weins um diesen gleich in Bestform geniessen zu können. Privat bevorzuge ich, nachdem ich grossteils mir unbekannte Wein kaufe, das “Experiment”. NIcht weil ich dermassen abenteuerlustig bin, sondern weil ich erleben will wo diese Reise hin geht und was am Ende das Ergebnis sein wird.

Stichwörter: , ,

Kategorie: Blog