Bosco del Falco 2007
Der letzte Wein den wir heute vom Weingut Grifalco della Lucania aus der italienischen Basilikata verkosten ist gleichzeitig das Flaggschiff des Hauses, der ‘Oberfalke’ sozusagen. Selbstverständlich ist auch der Bosco del Falco, so heisst er, aus 100% Aglianico und stammt von dicht bepflanzten 30 Jahre alten Reben. Aus 2007 ist der Wein, er wurde im Edelstahl vergoren und durfte im Anschluss in grossen Eichenfässern zu dem heranreifen was wir heute in die Gläser bekommen. Drei Aglianicos von Grifalco haben wir bereits verkostet, keiner war wie der andere, jeder eine eigene Persönlichkeit und auf seine Art beeindruckend. Heute widmen wir uns also dem ‘Grossen Wein’ von Fabrizio Piccin und seiner Frau Cecilia Naldoni und sind gespannt was wir erleben werden.
Mitternachtsblau, Königsblau oder Marineblau, alle drei Bezeichnungen wären passend für das dunkelblaue Etikett. In gewohnter Art und Weise ‘sitzt’ der grosse Falke, das Markenzeichen von Grifalco, förmlich auf den in rosa und hellblau gehaltenen Kapitalen BOSCO DEL FALCO. Darunter steht die Herkunft, Aglianico del Vulture und als Abschluss dient wieder eine schmale Bordüre welche die Landschaft bzw. die Weingärten in silber und altrosa illustriert. Am hinteren Etikett erfährt man alles über Lage, Gegend, Ausbau, Wein und vieles mehr.
Um dem ‘Falken’ die Gelegenheit zu geben sein Federkleid zu putzen um sich dann von seiner allerbesten Seite zu zeigen, darf er für neunzig Minuten ein paar Flugübungen in der bauchigen Karaffe machen. Danach kommt er in die grossen Kelche.
Dunkelbeerig, erdig & viel Tabak
Finster sieht es aus im grossen Becher, fast schwarz. Nur die Ränder funkeln in sattem und brillantem Rubinrot vor sich hin. Beeindruckend dicht was da im Kelch steht. Der Duft der in die Nase strömt ist blau und braun in des Wortes Sinn. Es riecht nach dunkelblauen und schwarzen Beeren sowie nach Leder, Holz und Erde. Eine ganze Kiste Tabakblätter scheint durch die Luft zu fliegen und verleiht dem ‘Oberfalken’ einen unheimlich erdigen wie auch würzigen Duft. Da steht Rustikalität im Glas, garantiert nichts ‘zum Spielen’ und schon gar nichts zum lustigen Verputzen. Soviel steht fest. Was da im Kessel dampft fühlt sich erdig an und lässt einen erahnen was auf einen zukommt. Eine straffe Beerenwürze tut ihr Übriges um den Speichelfluss entsprechend anzuregen. Sein intensives, kräftiges Bukett verlangt Respekt ab und die Spannung vor dem ersten Schluck ist gross.
Für den ‘Gerbstoff-Oscar’ nominiert
Gerbstoffe, Gerbstoffe und nochmals Gerbstoffe. Als würde man an einem Samthandschuh kauen. Jedoch, so wie sich das auf der Zunge, den Lippen und am Gaumen anfühlt, jagt es einem wohlige Schauer in die Geschmacks- und Gefühlszentrale hoch. Weich, nicht kantig oder eckig, vielmehr wie ein Stein im Fluss, der über die Jahre hinweg vom Wasser rund geschliffen wurde. Sie rollen förmlich durch den Mund. Ein Gefühl, das einen sogar kurz vergessen lässt, dass man den Wein auch schmecken kann. Leder, Erde, Tabak, Holz, Würze, da ist alles drin was Rustikalität ausmacht, welche hier aber in einen mehr als eleganten Anzug gehüllt ist. Da steht nicht der Knecht vom Acker im Salon, hier zeigt sich der Oberbauer selbst in seinem schönsten Sonntagsanzug. Kernig, knackig und konzentriert fühlt sich der Bosco del Falco an. Auf der Zunge steht er lange, fast endlos rum und brennt sich förmlich ein auf ihr, den Gaumen hüllt er in ein Kleid aus rauchigem Tüll, lagert dort seine erdig-würzigen Aromen ab und presst aus seinen Tanninen am Schluss sogar so etwas wie eine feine Süsse raus. Was für ein Erlebnis.
Charakter, Persönlichkeit & Profil
Was weiters erst im Nachhinein auffällt ist die frische Säure mit welcher der ‘Oberfalke’ durch den Mundraum zieht. Sie lässt den Tropfen auch so lebendig frisch erscheinen, obwohl er doch mit Geländebereifung unterwegs ist. Sie macht ihn ungemein trinkfreudig, drängt seine Gerbstoffdominanz wie von unsichtbarer Hand geschoben in den Hintergrund und lässt einen diese um die Hälfte reduziert wahrnehmen. Obwohl man die Tannine ständig spürt läuft der Falke nie Gefahr anstrengend zu werden, ganz im Gegenteil. So frisch wie alles auf der Zunge abläuft und so frech wie auch die dunklen Beerenfrüchte aus dem ganzen Strauss von Leder, Holz und Tabak heraus blitzen, so süffig ist der Wein. Je mehr Luft er aufnimmt umso saftiger wird er, umso ‘fruchtiger’ wird er gewissermassen, wobei die Bezeichnung fruchtiger in diesem Fall dafür steht, dass der Geschmack und auch das Gefühl von Erde, Leder und Holz immer saftiger wird.
Trotz seines doch rustikalen Charakters, der sich aber in seiner edelsten Form zeigt, ist der Bosco del Falco ein Wein der puren Genuss beschert. Sicher, er ist kein Wein für Leute die Angst vor Gerbstoffen haben (wer die hat sollte einen ganz weiten Bogen um ihn machen), er ist auch kein Wein den man sich so mal auf die Schnelle aufmacht (obwoh das ein ganz spassiges Erlebnis sein kann) und er ist definitiv kein Wein für Leute, die weichgespülte Alltagsweine bevorzugen. Wer aber Charakter, Persönlichkeit, Profil, Authentizität und Selbstbewusstsein im Glas und vor allem im Mund erleben will, dem sei der ‘Oberfalke’ schwer ans Herz bzw. den Gaumen gelegt. Die 14% die der Bosco del Falco auf die Waage bringt spürt man nicht unmittelbar, sollten aber, so man den Wein solo geniesst als Warnung verstanden werden. Auch wenn der Tropfen süffig und mit einem grandiosen, fast schon erfrischenden Trinkfluss gesegnet daher kommt, sie kommen leise aber sicher ‘von hinten’ angeschlichen. Knappe 20 Euro kostet dieser authentische Weinspass und ist jeden davon mehr als wert.
Tipp: Wenn sie Gerbstoffe erleben wollen, dann nach einer Stunde in der Karaffe eingiessen. Wenn sie den rauen Saft spüren wollen, dann sind zwei ideal. Bei 16-18º am besten, nicht allzu warm werden lassen. Macht leicht kühl richtig grossen Spass. Zu Roastbeef, rotem Fleisch, gegrillt oder gebraten, sowie zu kräftigen Käsesorten ein verlässlicher Begleiter. Solo eher für Kenner wie für Könner. Dafür aber umso intensiver.
Verkostet wurde ein Bosco del Falco 2007 Aglianico Vulture von Fabrizio Piccin und Cecilia Naldoni von der Grifalco della Lucania in Venosa in der Region Potenza, Italien.
Kategorie: Grifalco (I), Verkostet