Bourgueil ‘Cassiopée’ 2009

| 24. Januar 2012 Alles lesen

Ganz ehrlich, wussten Sie was ‘Cassiopee’ bedeutet? Nun, wir auch nicht, bis heute. Keiner von uns wusste, dass die Kassiopeia zu den 48 Sternbildern der antiken Astronomie gehört. Seit heute wissen wir es. Und genau das ist auch der Name des zweiten Weines aus unserer Verkostung zum Thema Das Loire-Experiment. Ein weiterer Schatz in Rot. Es handelt sich dabei um einen Cabernet Franc aus der Gemeinde Bourgueil im Département Indre-et-Loire, von der Domaine de la Chevalerie in Restigné.

Auf der Burgunderflasche prangt ein Plakat von Etikett wie man es nur selten zu Gesicht bekommt. Von so beeindruckender Farbfülle wie auch Gestaltung. Die Bildsprache erinnert fast ein wenig an Pieter Bruegels ‘Bauernhochzeit’. Es ist detailverliebt und opulent. Ein Etikett in welches man sich einfach verlieben muss. Am blauen Himmel das schon erwähnte Sternbild der Kassiopeia, unten der reich gedeckte Tisch.

Ich weiss man sollte nie nach dem Etikett kaufen, aber nach einer Flasche mit so einem Kunstwerk drauf muss man einfach greifen. Man muss ja schliesslich auch einmal riskieren um Neues entdecken zu können. Dieser Wein gehört allein schon wegen seines Etiketts ins Regal oder in den Keller. Ach übrigens, wenn Sie den Jahrgang suchen sollten Sie gute Augen oder eine Lupe zur Hand haben. Versuchen Sie es einmal ganz unten auf dem Bild :-)

Floral, saftig, würzig

Sechzig Minuten in der Karaffe sollten dem ‘Cassiopee’ gut getan haben und so kommt er dann auch ins Glas. In dunkelbeerigem Rot funkelt es aus dem Kelch und es sieht höchst saftig darin aus. Das Bukett verströmt eine wundervolle florale Note, gepaart mit würziger Begleitmusik. Es riecht kühl im Glas, vor allem sehr dicht und man mag richtig ‘hineinbeissen’ in diesen Duft der so fleischig aus dem Glas strömt. Die Neugier auf diesen Cabernet Franc steigt mit jedem neuen ‘Riecher’. Vor allem auch deshalb weil einem dabei wirklich das Wasser im Mund zusammenläuft.

Frontalangriff auf Zunge und Gaumen

Was dann auf die Zunge und auf den Gaumen trifft ist Faszination pur. Kühl, knochentrocken, mineralisch, mit seidigen Gerbstoffen bestens bestückt, alles in einen charmanten Strauss von Gewürzen eingehüllt. Ein höchst animierendes Erlebnis. Hier kommt nichts was an an irgendeine klebrige Frucht erinnern würde auf den Gaumen, hier trifft keine süsse Note die Zunge, zu keiner Zeit, und wer glaubt, dass ob des äusserst verführerischen Buketts ein ebenso schmuseweicher Wein im Glas ist, der irrt gewaltig. Der ‘Cassiopee’ kommt sowas von direkt auf die Zungenmitte, dass man einfach nur verwundert ist. Kein aufgeblähter Körper mit wuchtiger Fülle kommt hier aus dem Glas, sondern ein richtig schlanker Wein der süffig und sehr feingliedrig den Gaumen umspült. Aus diesem Wein strömt pure Lebenslust und Freude und man spürt seine Aktivität bei jedem Schluck.

Wer an massenkompatible Faserschmeichler mit Fruchteinlage gewohnt ist und diese liebt, der sollte vom ‘Cassiopee’ die Finger lassen. Er wird ihn nicht mögen und schon gar nicht verstehen. Wer aber ein Freund von starken ‘Weinpersönlichkeiten’ ist und wissen will wie richtig guter französischer Alltagswein schmeckt, der sollte diesen Tropfen unbedingt probieren.

Mineralisch, trocken, unkompliziert

Es ist immer wieder ein erfreuliches Erlebnis Weine ‘in den Mund’ zu bekommen, die sich nicht um Mainstream oder sonstige angesagten Trends scheren und sich gegen alles auflehnen was an Konformität erinnern lassen könnte. Es ist diese von einer unglaublich feinen Mineralität begleitete Trockenheit welche Weine wie den ‘Cassiopee’ so einzigartig machen. Die Kühle macht ihn leicht und die seidigen Tannine gewähren einen angenehm langen und samtigen Nachgeschmack im Mund. Alles eingebettet in einer filigranen Würze die dem Wein charmante Persönlichkeit verleiht. Es bedarf wirklich nicht der dicken Brummer um ins Schwärmen zu kommen. Dieser Cabernet Franc spielt alle Stücke und ist ein richtig süffiger Alltagswein.

Der ‘Cassiopee’ gehört eindeutig zu jenen Weinen welche man sich aufmacht und am Ende überrascht feststellt, wie rasch die Flasche leer ist. Ein Rotwein der auch an heissen Sommerabenden im Freien zischt und ebenso erfrischt, wie auch im Winter auf der Couch ein ausgezeichneter Begleiter ist. Kein Wein für grosses Kino, einfach ein Wein der dazu gemacht ist um Freude zu bereiten. Unkompliziert, ungeschminkt und durch und durch französisch. Wenn Sie wieder einmal etwas ‘spüren’ wollen im Mund, dann gönnen Sie sich diesen Tropfen. Um knappe 10 Euro bekommen Sie soviel Terroir nirgendwo geboten. Vorausgesetzt Terroir ist für Sie mehr als nur ein Modewort.

Tipp: Nicht zu kühl servieren da der Wein schon genug mit eigener Kühle ‘gesegnet’ ist. Zu rustikaler Küche ebenso wie zu würziger mediterraner Gemüseküche einsetzbar.

Update vom 9. Februar 2012: Wer den ‘Cassiopée’ aktuell sucht, der wird ihn leider nicht mehr finden. Wie wir erfahren haben ändert die Familie Caslot jährlich den Namen und auch das Etikett ihres grandiosen Cabernet Francs. Ich selbst habe gestern eine Kiste des neuen Jahrgangs (2010) erhalten und war überrascht über das nicht minder ‘schräge’ Etikett welches die Flasche dieses Jahrgangs ziert. Ganz nebenbei bemerkt, heisst der 2010er ‘Venus‘ und ist, so hat es mir Martin Kössler hoch und heilig versprochen, noch besser und klarer als der 2009er. Der Link in der Box ist bereits geändert auf Milos, Verzeihung, Caslots ‘Venus’.

Wein & und Winzer-Info:


Wein: Bourgueil ‘Cassiopée’ 2009 (2010 heisst ‘Venus’)
Winzer: Familie Caslot – Domaine de Chevalerie
Trinkbar ab: sofort
Optimale Reife: -2014+
Anbau: Biodynamisch
Ausbau: Holzfaß >300l
Besonderes: Ecocert®
Dekantieren: Ja

Der Wein wurde uns von der K&U Weinhalle aus Nürnberg zur Verfügung gestellt.

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