Bricco Francia 2011
Genau vor einem Jahr hatten wir einen Bricco Francia des Jahrgangs 2009 von Paolo Alliatas Villa Terlina in der Verkostung. Heute haben wir das Vergnügen den selben Wein aus dem Jahr 2011 aufzumachen und ihn in seiner unbeschwerten Jugend kennenzulernen. So jung wie der Wein ist, so jung ist auch der Weinberg dem er enstammt. Erst 2001 angepflanzt und mit nur 7000 abgefüllten Flaschen nicht gerade das was man einen Massenwein nennt. Vom 2009er waren wir schon angetan, weil wir für wirklich wenig Geld eine mehr als alltagstaugliche Barbera in den Gläsern hatten. Der Bricco Francia 2011 sollte wohl mit noch mehr Frische und Unbekümmertheit auftreten und sind wir bereit das ohne Umweg raus zu finden.
Wie schon beim 2009er ziert auch diese Flasche das gleiche turmhohe Etikett mit dem blauen Wappen in der Mitte. Was es mit den Adlern in dem Wappen auf sich hat habe ich, obwohl eingehend recherchiert, leider noch immer nicht herausgefunden. Keine italienische Region bedient sich eines Wappens oder einer Flagge dieser Art. Bleibt also nur die Vermutung, dass es sich deshalb um das Wappen irgendeines Adels handelt. Oberhalb wieder Bricco Francia in Kapitalen und unter dem ominösen Wappen Piemonte und Barbera ebenfalls in Grossbuchstaben. Auch auf diesem Etikett stechen die 14,5% ins Auge, doch wissen wir bereits vom 2009er, dass man davon nicht wirklich etwas merkt, weil der Wein so frisch und trinkig war. Wir geben dem jungen Hüpfer 90 Minuten in der grossen Karaffe und entlassen ihn dann in die Gläser.
Tiefschwarz, würzig & pikant
Fast schwarz steht der Bricco Francia im Glas, absolut finster ist es und Einblicke auf den Grund werden strikt verweigert. Beim Schwenken funkelt es in dunkelstem kirschrot aus dem Glas heraus. Im Duft zeigt sich eine ausgeprägte dunkle Würze, vermengt mit Lakritzearomen und reifen schwarzen und roten Beeren. Farblich riecht es blau und violett, kühl und in gewisser Weise sogar pikant. Der Duft hält lange an in der Nase und brennt sich wohltuend an den Nasenwänden ein. Es riecht ein wenig herbstlich, nach brauner Erde und feuchtem Unterholz, alles vermengt mit einer ausgeprägten Würze welche im Aromenregiment das Kommando führt.
Rustikal & Ungehobelt
Genau so blau wie der Bricco Francia duftet trifft er auf die Zungemitte und entlädt dort seine relativ rustikale Würze. Es fühlt sich kräftig an, richtig herzhaft und hat durchaus Ecken und Kanten. Was sofort auffällt ist, dass der Tropfen noch nicht ganz zu sich gefunden hat. Noch stehen Gerbstoffe und Frucht grossteils für sich selbst auf der Zunge und finden nur langsam zusammen. Genau dieser Umstand lässt den Bricco Francia eben rustikal erscheinen, was ihm aber so seinen unverfälschten und ungekünstelten Charme verleiht. Man schmeckt Veilchen, dunkles Holz, Erde, wenig Frucht und viel blau. Auch säuremässig hat die Barbera einiges zu bieten, wirkt frisch im Trunk und weniger schwer denn leichtgewirkt, trotz mächtig Alkohol im Gepäck. Über den Gaumen zieht der Bricco Francia ebenso würzig wie herb, hinterlässt dort einen langen Nachhall und eine ausgeprägte Spur von dunkler Erde.
Kompromisslos unverfälscht
Was den Bricco Francia aus 2011 grundlegend von dem aus 2009 unterscheidet, ist, dass der 2009er in 2012 verkostet wurde und bereits entsprechend ‘konsolidiert’ war. Der 2011er ist ein ungestümer junger Hüpfer der sich erst finden muss und der im Moment so richtig ‘Radau’ im Mund macht. Was ihn aber wieder umso liebenswerter macht, weil man fühlt wie er kämpft und zu zeigen versucht, dass er mächtig was zu bieten hat. Nach drei Stunden an der Luft wird der Bricco Francia dann runder, fühlt sich saftiger und konzentrierter an und sogar dunkle Beerenfrüchte schmeckt man jetzt klar heraus. Jetzt erreicht er fast die Trinkigkeit des 2009ers, auch wenn alles noch ein wenig herber im Geschmack ist. Das eine Jahr weniger auf der Flasche kann man eben nicht verleugnen.
Am Gaumen wirkt der Wein nach drei Stunden Sauerstoffaufnahme auch weniger rustikal denn würzig-herb und im Abgang zeigt er sich wesentlich versöhnlicher als zu Beginn. Er hinterlässt einen kräftigen Nachgeschmack, man spürt seine kühle Frische die ihn so richtig süffig macht und man merkt auch hier nicht wirklich etwas von dem doch hohen Alkoholgehalt. Insgesamt fühlt sich der Bricco Francia kühl im Mund an, macht der Zunge vor blau zu sein und präsentiert sich ganz allgemein als urwüchsiger, unverfälschter und kompromisslos ehrlicher Wein. Bereits um weniger als 10 Euro gibt es diesen authentischen Wein zu erstehen und wer sich gerne in der Küche austobt, der hat mit dem Bricco Francio einen mehr als spassigen Gesellen dazu gefunden.
Tipp: Geben Sie dem Wein drei Stunden in der Karaffe, oder auch vier. Macht bei 16-18º beste Figur und begleitet Fleischküche sowie jede Art von kräftigen und deftigen Pastavariationen vorzüglich.
Verkostet wurde ein Bricco Francia 2011 Barbera von der Villa Terlina aus Agliano Terme, Piemont, Italien.
Kategorie: Verkostet, Villa Terlina (I)