Gemischter Satz “Nussberg” 2013

| 8. August 2015 Alles lesen

Seit 2011 verkoste ich Weine. Heute, 2015, zum ersten Mal einen aus der Stadt in der ich lebe; Wien. Unentschuldbar. Doch was soll’s, heute ist es soweit und nur das zählt. Und wenn schon Wein aus Wien, dann von einer Lokalgrösse um die man nicht herum kommt, will man Wiener Wein geniessen; Fritz Wieninger. Legendär und in der ganzen Welt bekannt ist sein Gemischter Satz, die traditionsreichste Spezialität des Wiener Weinbaus. Hier steht heute sein Gemischter Satz “Nussberg” 2013 am Tisch der Wahrheit. Der Wein stammt von der Lage Nussberg mit Muschelkalk- und Kalksteinverwitterungsböden und besteht aus 9 Traubensorten (Weißburgunder, Neuburger, Welschriesling, Grüner Veltliner, Sylvaner, Zierfandler, Rotgipfler, Traminer und Riesling). Jede einzelne davon wird jetzt zusammen miteinander (oder so) unter die Lupe genommen.

Wieninger Gemischter Satz Nussberg 2013 Nostalgie kommt auf wenn man auf das Etikett das auf der Flasche klebt sieht. Ein grosses, in gelb gehaltenes und oval gestanztes Stück Papier zeigt in Sepia ein Bild aus längst vergangenen Tagen. Männer und Frauen im Weingarten, zwischen den Rebstöcken. Sieht aus als wäre das aus den späten 50er-, frühen 60er-Jahren. Der obere Teil des vergilbten Etiketts zeigt eine typische Wiener Shilhoutte mit Stephansdom und Riesenrad, darunter WIENINGER in Grossbuchstaben. Alles in gold geprägt. Im unteren freien gelben Teil Wiener Gemischter Satz DAC Nussberg. Am ebenso gelben, kleineren Rückenetikett die allgemeine Information was ein Gemischter Satz ist und woher dieser Wein stammt. Dazu das Siegel von respekt, dessen Mitglied Fritz Wieninger ist. Eine dunkelgelbe Halsmanschette rundet die Flasche farblich sehr schön ab. Damit der Wein sich auf seinen Auftritt vorbereiten kann, kommt er für eine halbe Stunde die Karaffe.

Dunkelgelbe Aromawolke

In kräftigem Gelb mit deutlichen grünen Reflexen schimmert der Wein im Glas. So vielfältig wie die verwendeten Rebsorten ist auch der Duft der aus dem Becher strömt. Ananas, Lindenblüten, reifer Apfel, etwas Zitrus, Kamille und eine kraftvolle erdige Würze. Es ist eine dunkle Fruchtigkeit die in der Nase steht, sie ist fest und dicht. Eine gewisse Kräutrigkeit steht über allem, insgesamt verstömt der Nussberg eine Wolke intensiver, saftig satter, dunkelgelber Aromatik gepaart mit Lehm und Kalk.

Saftig, dicht & würzig-fruchtig

Füllig ist der Eindruck den der Nussberg im Mund hinterlässt. Augenblicklich breitet er sich aus und setzt sich ausgesprochen warm und würzig auf der Zunge ab. Dabei entlässt er reichlich Saft und sorgt mit Gehalt und Dichte für ein fruchtiges Vergnügen, welches sich kurz darauf in erdiger Mineralität auflöst. Der Saft hat Kraft könnte man sagen, er fliesst weich und mild über die Zungenränder ab, auf der Zunge fühlt er sich wie ein Schmusekater an. Am Gaumen würzig aber auch fruchtig, im Abgang ebenso gehaltvoll und lang. Leichte Zitrusnoten schwingen mit. Insgesamt ein Wein der mit Saft und Körper für ein Wohlgefühl im Mund sorgt.

Ein Pin-up und kein Hungerhaken

Auffallend ist die Cremigkeit des Nussberg, wie weich und rund er über die Zunge fliesst und sich generell im Mund anfühlt. Die mehr als moderate Säure hat sich gut versteckt, sie überlässt allen anderen Komponenten vollständig das Kommando. Der Wein rollt im Mund, er fühlt sich mild an, ist saftig, tropft richtig und zeigt doch enorme Würze am Gaumen. Wartet man eine Weile, so bleibt ein leicht stoffiger Film darauf haften und sondert Erd- und Kalkaromen ab; unterlegt mit ein paar Tropfen gelber Grapefruit. Was bleibt ist eine schöne herbe Note die sich lange hält und nachwirkt. Von Saft und Frucht zu Kalk und Herbheit. Das ist der Weg den der Nussberg nimmt bevor er sich in einem dunkelgelben, leicht rauchigen Nachhall verabschiedet. Wie überhaupt die gesamte Erscheinung dieses Weines dunkelgelb und rauchig ist.

Natürlich fragt man sich, ob, und wenn ja, welche Rebsorten man am ehesten aus dem Nussberg schmeckt. Ich persönlich denke da an drei; Neuburger, Rotgipfler und Traminer. Es ist die Würze, die dunkelgelbe Aromatik und die moderate Säure die mich dazu bringen. Was überrascht ist der dichte Saft der aus jedem einzelnen Tropfen quillt. Wo kommt die reife Ananas nur her, wo doch der ganze Boden voll von Kalk ist? Sie impft dem Nussberg eine exotische Note ein, um gleichzeitig geradeaus in ein Kalkbergwerk zu führen. Ich will auf der Stelle ein Wiener Schnitzel! Wieso ist das so herb was übrig bleibt am Gaumen? Warum ist es fast bitter was dem Nachhall anhängt und diesen mit dem Rest an Fruchtigkeit so sexy macht? Der Nussberg ist gehaltvoll, dicht und supersaftig. Er ist mineralisch, dunkel, griffig und vor allem sündhaft weich und rund. Der Gemischte Satz Nussberg ist opulenter Spass der durchaus auch mit Kargheit glänzt. So rund und g’sund er sich zu Anfang präsentiert im Mund, so würzig, karg und kalkig lässt er einen mit einem Hauch von trockener Exotik übrig. Der Nussberg hat Rundungen, ist sexy und verführerisch. Der Nussberg ist ein Pin-up und kein Hungerhaken. Und jetzt geh’ ich ins Lugeck auf ein Schnitzel. Ist ja quasi “um die Ecke”.

Tipp: 30-60 Minuten Luft sind fein. Mit 11-14º, je nach Lust und Laune zwitschern. Aus dem grossen Becher bitte. Und sonst zu Wiener Schnitzel, Backhendl oder auch asiatischer Küche. Verträgt Schärfe. Oder einfach vor Ort eine Flasche ordern und sich damit in den Weinberg setzen.

Verkostet wurde ein Gemischter Satz “Nussberg” 2013 vom Weingut Wieninger aus Wien, Österreich. Bezugsquelle: rotWEISSrot, München.

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