Haiku 2009
Eine spannende Cuvée eröffnet heute die letzte Verkostungsrunde der Weine vom Castello di Ama aus Gaiole in Chianti, Siena. Haiku 2009 heisst der Wein und besteht aus 50% Sangiovese sowie jeweils 25% Merlot und Cabernet Franc. Der Name bezieht sich auf eine japanische Gedichtsform bei der die Magie der Einfachheit im Vordergrund steht. Genau das will man auch mit dem Haiku zeigen. Die Trauben stammen zur Gänze aus dem Weinberg Montebuoni, wurden handgelesen und im Anschluss am Sortiertisch noch einmal händisch selektiert, um nur die allerbeste Qualität zu verarbeiten. Wir freuen uns auf diesen Wein, unter anderem auch deswegen, weil er sozusagen als ‘Vorspiel’ zu jenem Tropfen dient der als letzter hier verkostet wird.
Ein überaus edel wirkendes, turmhohes Stück Papier klebt auf der Flasche. Reines weiss mit einer silbernen Bordüre oben, in welcher der italienische Condottiere Guidoriccio da Fogliano hoch zu Ross seines Weges reitet. Im weissen Teil der Jahrgang und haiku in schwarz und darunter in zartem grau die Wappen des Castello di Ama. Der Flaschenhals mit einer strahlen weissen Manschette eingefassst und an der Krümmung das Wappen und Ama aufgeprägt. Es ist eine jener Flaschenbeklebungen die man getrost als ‘typisch italienisch’ im positiven Sinn bezeichnen kann. Edel, elegant und stilsicher bis auf den letzten Punkt.
Am Rückenetikett liest man über die Philosophie die hinter diesem Wein steht sowie eine lange Erklärung über die Bedeutung von Haiku und was man mit diesem Wein vermitteln möchte. Am Ende der Rebsortenspiegel. Bevor der Haiku in die Gläser kommt, darf er eine Stunde Sauerstoff aufnehmen.
Wilde Beeren in raffinierter Würze
In dunklem rubinrot steht der Haiku im Glas, ist dicht, fast schwarz im Kern. Ganz feine aufhellende Ränder stehen dem entgegen. Fleischig, auch rauchig duftet es aus dem Kelch heraus, eine raffinierte Würze dümpelt durch die Gegend, es riecht fruchtig nach wilden, dunkelroten Waldbeeren, etwas Unterholz ist dabei. Insgesamt ein sehr eleganter Duft, nicht laut aber doch ausgeprägt, nicht dampfend aber doch kraftvoll. Es ist ein ganz feiner Duft, eloquent in seinem Auftritt, der grosse Lust auf den ersten Schluck macht.
Knackig frisch, agil und lebhaft
Etwas völlig unerwartetes kommt dann auf die Zunge. Nicht die dunkelrote Frucht die im Duft so dominiert hat schmeckt man vordergründig, sondern ungemein feine Kirscharomen, so als wären sie gerade ‘rot’ geworden, necken in einer knackigen Frische die Geschmacksnerven. Nichts was fett, heiss oder dick wäre, alles ist äusserst abgespeckt. Eine richtig animierende und lebendige Säure sorgt für Spass im Mund und erst nach und nach spürt man wieder die dunklen Beeren die neben dieser subtilen Kräuterwürze auftauchen. Der Wein wirkt leichtgestrickt, gar feingliedrig auf der Zunge, fühlt sich ebenso leicht an und hat doch Kraft und Textur. Für dieses ungewohnte Geschmackserlebnis sorgt defintiv der Anteil von Cabernet Franc, der Sangiovese und Merlot keine Chance lässt ‘Führungsansprüche’ zu erheben.
Rein, klar und edel
Was fasziniert, ist wie klar der Haiku ist. Er ist ungemein fein in der Wahrnehmung, klar wie ein Kristall und ebenso kühl im Mund. Die aussergewöhnliche Frische ist auch schuld, dass man erst jetzt das ebenso frische Gerbstoffgerüst bewusst wahrnimmt. Kein Pelz im Mund, vielmehr feinster Nebel der über den Gaumen zieht, eine ebenso feine verhaltene Würze und ein Abgang der keine Wünsche offen lässt. Lang, fruchtig, würzig, edel und am Ende mit jenem Beschlag gesegnet, der elegante Tannine so sympathisch macht. Der Haiku braucht keinen Platz im Mund, steht wie eine Eins in der Zungenmitte und wird niemals breit. Er zieht kerzengerade über selbige hinweg und entfaltet erst dann seine verhaltene Rauchigkeit am Gaumen. Insgesamt wirkt der Haiku sehr rein, sehr klar, sehr verhalten und absout unaufgeregt. Er fühlt sich fast schüchtern an, wird niemals laut und beschränkt sich auf das Wesentliche.
Super trinkig wäre wohl jene Formulierung die den Haiku auf den Punkt bringt, was aber angesichts der hehren Philosophie hinter diesem Tropfen mehr als banal klingt. Er wirkt nackt in seiner Klarheit, offen wie ein Buch ohne jegliches Geheimnis und derart rein, dass man ihn irgendwie in seinen ‘Einzelteilen’ schmecken und auch fühlen kann. Wer ein wenig mit Japan, seiner Historie und seinen gesellschaftlichen Gepflogenheiten bewandt ist wird verstehen, warum der Wein diesen Namen trägt und was er dem Weinfreund vermitteln will. Cicero sagte einmal “Ein wahrer Freund ist gleichsam ein zweites Selbst”. In diesem Sinne ist der Haiku das Alter Ego des Castello di Ama Riserva mit Idealgewicht. 30 Euro darf der Weinfreund für diese Interpretation japanischer Verskunst investieren und eines ist so gut wie sicher: Man kann den Haiku auch problemlos während seiner Origami-Session konsumieren.
Tipp: 60 Minuten in der Karaffe sind ideal. Bei 16º im Sommer, mit 18º ab Herbst geniessen. Zu regionaler Küche aus der Toskana ebenso geeignet wie natürlich zu jeder Art von Pasta. Zur Alleinunterhaltung ein wahrlich klares und reines Weinerlebnis.
Verkostet wurde ein Haiku 2009 vom Weingut Castello die Ama aus Gaiole in Chianti, Siena, Italien. Der Wein wurde uns via Andrea Seidler von ViP-Weine aus Köln zur Verfügung gestellt.
Kategorie: Castello di Ama (I), Verkostet