Kestener Herrenberg 2012 Pinot Noir

| 21. Juni 2016 Alles lesen

Kestener Herrenberg 2012 Pinot Noir Den Pinot Noir vom Paulinsberg hatte ich ja bereits. Heute steht der Pinot Noir vom Herrenberg, der ist ein wenig weiter nördlich vom Paulinsberg, am Tisch der Wahrheit. Beide gehören mehr oder weniger zusammen. Paulinsberg führt darauf zurück, dass Paulin ein so genanntes Kollegiatstift, eine Gemeinschaft von Stiftskanonikern war. Die Kirche St. Paulin ist nach dem heiligen Paulinus oder Paulin benannt und existiert noch heute. Der Name Herrenberg bezieht sich auf die Stiftsherren, die Kanoniker des Stiftes Paulin und ist ein häufiger Flurname. Der Kestener Herrenberg 2012 Pinot Noir kommt von den ältesten Reben der Lage, hat 14 Monate im Barrique-Fass verbracht und wurde unfiltriert abgefüllt. Und weil ich auch die Pinots von Stefan Steinmetz in der Zwischenzeit ganz gut kenne und weiss wie man ihnen am besten begegnet, kommt auch der Kestener Herrenberg 2012 erst einmal für zwei Stunden in die grosse Karaffe. Seine Pinots brauchen in der Regel einiges an Luft, dann drehen sie mächtig auf und sorgen immer wieder für richtig grossen Spass im Glas.

Kirschen, Kräuter, feine Würze

Rot wie frischer Kirschensaft dreht der Kestener Herrenberg im Becher seine Runden. Im Riechorgan machen sich Aromen von Himbeeren, Kirschen und auch Kräutern breit. Alles unterlegt von trockenem Geäst und einer Schaufel Erde. Eine Handvoll Waldbeeren drängt sich nach vorne durch, die Würze zeigt sich relativ verhalten, will nicht das Kommando übernehmen. Es fühlt sich frisch und fein fruchtig in der Nase an. Insgesamt ein Duft der (nach zwei Stunden in der Karaffe) ein sehr harmonisch wirkender ist.

Reife Frucht & rote Freude

Oh wie herrlich kirschig ist der Wein sowie er auf der Zunge ankommt. Mürbe, äusserst feine Tannine, wunderbar im dichten Saft verpackt. Fruchtig, kirschig, waldbeerig, hoch im Extrakt. Da steht vollreifes Lesegut im Mund und fühlt sich auch so an. Etwas Leder, mehr süss als ledrig, dezenter Zitruston und auf den Punkt gereifte Kirsche sorgen für enormen Spass auf der Zunge. Das genaue Gegenteil vom Kestener Paulinsberg, der ein wilder Hund und nur für echte Cowboys gemacht ist. Der hier, der Kestener Herrenberg, ist einer für die Fraktion der Frucht- und Freudetrinker. Schmecke ich da Muskatnuss ganz hinten? Ja, die hat wer rein geblasen in den Rachen und während der Tropfen am Gaumen wunderbar rotfruchtig vorüberzieht, geht es in einen fast schon kitschig-schönen roten Sonnenunter… Abgang. Der Nachhall reif und zärtlich würzig.

Wer den nicht mag ist selber schuld

Wunderbar saftig schmiegt sich der Tropfen an den Lippen und auf der Zunge an, sticht mit seiner “Süsse” fast schon zu, neckt, bezirzt und spielt mit einem. Dabei zeigt sich der Kestener Herrenberg aber ausgesprochen elegant, charmant und liebenswert. Das feine Leder das sich am Gaumen anlegt ist erster Güte, gerade soviel, dass man es wahrnimmt. Darüber etwas Holz und auch den Schiefer schmeckt man ganz dezent durch. Alles dümpelt in dieser sündigen Kirsch- und Waldbeerenessenz vor sich hin. Nach und nach treten Anflüge von hellem Tabak sowie trockener Erde etwas mehr in den Vordergrund und verleihen dem Kestener Herrenberg einen richtig seriösen Anstrich. Erst jetzt wird er langsam auch etwas griffiger im Mund, baut etwas festere Haftung auf und schiebt eine bezaubernd trockene Erdwürze vor sich her. Immer dabei die hochreife Kirsche, die dem Saft seine sympathische Fruchtigkeit einhaucht. Das ist Pinot Noir zum Versöhnen.

Den halben Tag lang ist der Kestener Herrenberg jetzt offen und er wird immer grösser. Gekonnt das Wechselspiel zwischen hochreifer Frucht und feiner Säure, harmonisch die Unterfütterung mit Holz und Leder, charaktervoll die feine Erdigkeit. Im Mund schmeckt man rot von vorne bis nach hinten, spürt eine sehr subtile Mineraliät und staunt ob einer herrlich feinen Haftung. Mit etwas Phantasie schmeckt man jetzt auch noch Marzipan und Eukalyptus und alles zusammen ergibt einen wunderbaren Pinot Noir, welcher sich vor manchen “Grossen” keineswegs verstecken muss. Ich selbst bin ja eher jenen Pinots zugeneigt, die in die Kategorie “Wildsau, Rüpel oder Rotzbanause” fallen, die also eher etwas mehr für Masochisten und in der Regel “rustikal” sind. Der Kestener Herrenberg aber ist einer der mir auch gefällt und als Abwechslung zu den “wilden Hunden” ein wunderbar charmanter Pinot Noir ist. Wer den nicht mag, der sollte aufhören Pinot Noir oder wenn es sein muss, Spätburgunder zu trinken. Der ist nicht zu retten und verdient solch feinen Wein auch gar nicht. So schaut´s aus.

Tipp: Ein bis zwei Stunden in die Karaffe damit. 14 – max. 16º Trinktemperatur empfohlen. Zu rotem Fleisch, zu Wildgerichten, herzhaftem Käse oder einem Pilzragout. Oder einfach solo geniessen weil er sich gar so schön und leicht verputzen lässt.

Verkostet wurde ein Kestener Herrenberg 2012 Pinot Noir vom Weingut Günther Steinmetz aus Brauneberg an der Mosel, Rheinland-Pfalz, Deutschland.

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