Kestener Paulinsberg 2011 Pinot Noir
Vor zwei Wochen hatte ich erstmals einen Wein von Stefan Steinmetz aus Brauneberg an der Mosel im Glas. Das Ergebnis war einfach grandios. Der Brauneberger Juffer HL 2012 war das und ich konnte im Anschluss gerade noch eine, die letzte, Flasche davon erstehen. Heute steht sein Pinot Noir Kestener Paulinsberg 2011 am Tisch der Wahrheit. Der Wein wurde ohne entrappt zu werden einfach in den offenen Holzbottich geworfen und dort spontan vergoren. Anschliessend durfte er im Fass lange auf der Feinhefe reifen und kam danach unfiltriert direkt in die Flaschen. Wenn der Kestener Paulinsberg nur annähernd das abliefert was der Brauneberger Juffer abgelassen hat, dann wird das heute wieder ein umwerfendes wie auch eindrucksvolles Weinerlebnis. Ich bin bereits gespannt wie der Bogen eines Schwarzfuss-Indianers.
Naturweiss ist das grosse Etikett, fein gerippt wie Onkel Rudis Unterleibchen und leicht angestaubt im Design. Unterteilt ist es in zwei Bereiche, welche beide von jeweils einem feinen Rahmen eingefasst sind. Im rechten, grossen Teil ganz oben die Abbildung des Weingutgebäudes, darunter GÜNTHER STEINMETZ, mit einer feinen goldenen Linie vom Rest des Etiketts geteilt. 2011er Kestener Paulinsberg steht darunter und Pinot Noir unfiltriert ergänzt in feiner Typo. Im linken, kleineren Bereich des Etiketts steht alles was sonst noch angeführt sein muss. Deutscher Qualitätswein, Gutsabfüllung, Prüfnummer, etc. Die 14%vol. kündigen ein etwas kräftigeres Weinabenteuer an. Damit sich der Kestener Paulinsberg auf seinen grossen Auftritt vorbereiten kann, kommt er für eine Stunde zur Luftaufnahme in den Dekanter.
Dunkel, kraftvoll, mystisch
In relativ dunklem kirschrot steht der Kestener Paulinsberg im grossen Becher. Extrem erdig riecht es in der Nase, würzig, dunkelrot und fordernd. Waldbeeren ziehen ihre Kreise, Brombeeren sind drunter, feuchte Erde und nasses Laub. Aus diesem Gemisch steigen zarte Kräuternoten hoch und verleihen dem Ganzen einen Tick von dunkelgrün. Es ist ein herbstlicher Duft, kraftvoll, irgendwie sogar leicht mystisch. Es riecht alles andere als leicht, schrammt aber an jeglicher Dicke oder Schwere weit vorbei. Insgesamt ein dunkler, tragender Duft der sich in den Nasenflügeln festsetzt.
Wenn der Schotter mit der alten Eiche
Ratter, ratter, ratter. So zieht der Kestener Paulinsberg kaum dass er im Mund ist über den Gaumen und lässt von dort herrlich körnige Tannine wie feinsten Schotter auf die Zunge rieseln. Es schmeckt dunkelrot und fühlt sich rauchig an im Mund, es hat Saft was auf der Zunge steht und es ist trocken was am Gaumen übrig bleibt. Erdig macht sich der Wein am Gaumen breit, herb ist er im Abgang und im Nachhall. Das Holz ist spürbar ohne zu stören. Man schmeckt dunkelrote Kirschen, schwarze Brombeeren und meint am feuchten Ast einer alten Eiche zu kauen. Alles wirkt kaftvoll, macht Druck ohne schwer zu werden und während man damit beschäftigt ist dieses dunkle mystische Gebräu zu analysieren, spürt man wie sich die Tannine lustig vergnügen und für entsprechendes ‘Rascheln’ im Mund sorgen.
Ultraherb und knochentrocken
Nach und nach geht der Kestener Paulinsberg auf und gibt immer mehr dunkle Kirsch- und Waldbeeraromen frei. Hier ist nichts mit lecker Erdbeerfrucht für Zuckerwassertrinker, das ist der Film für die Erwachsenen. Charaktervoll und tiefgründig spielt sich der Tropfen auf im Mund, macht auf Schiefer, Erde und überhaupt auf Boden. Vergisst aber nicht, dass gerade auf der Zunge was zum Spielen gefordert wird. Das kriegt die auch in Form von feiner Säure, einem Kinderriegel Marzipan und einem Drücker aus der Minzedüse. Und kaum hat man gedacht, dass es ein wenig fruchtig wird, ist alles ultraherb und knochentrocken. So wird das nichts mit Schmusetiger und Liebling aller Mütter. Das ist eher was für Harry Potter Fans in der Sado-Maso Fassung. Man weiss man trinkt Pinot Noir, man schmeckt ihn bis in die letzte Ritze und doch knallt einem der Tropfen Schluck für Schluck eine gehäufte Schaufel Erde in die Futterluke. Für dieses Vergnügen fasst man am besten die Arbeitskluft von Hornbach aus.
Erst nach knapp vier Stunden wird der Kestener Paulinsberg ein wenig charmanter. Nicht dass er plötzlich zum Schosshündchen mutiert, ganz im Gegenteil. Was er gut verarbeitet hat sind seine Gerbstoffe, die sind jetzt tiefer in den Körper integriert, rattern nicht mehr durch den Mund. Dafür ist er würziger geworden, sogar etwas “schärfer” und noch erdiger. Eine Stufe wurde am Rad mit der Bezeichnung ROT hochgedreht. Auf der Zunge ist er tatsächlich saftiger geworden, am Gaumen nach wie vor herb und knochentrocken. Der Wein ist die Ausgeburt an Mineralik, die paar verloren durch die Gegend irrenden Fruchtaromen sind zu bedauern und die letzten Überlebenden ihrer Gattung. Das ist Spätburgunder für Biker in der Lederkluft. Den säuft der Rocker auf der Harley und nicht der Herr Direktor mit seiner um dreissig Jahre jüngeren Romanze. Wer sich den Kestener Paulinsberg genehmigt sollte wissen, dass der kein banales rotes Wässerchen, sondern ein manchal sogar richtig rüder Zeitgenosse ist, der mit laschen Muttersöhnchen gar nichts anzufangen weiss.
Tipp: Zwei Stunden Minimum in die Karaffe damit. Um die 16-18º geniessen. Braucht rotes Fleisch, kraftvolle Champignongerichte und rustikale Küche. Zum Genuss ganz ohne alles ein Wein für Könner.
Verkostet wurde ein Kestener Paulinsberg 2011 Pinot Noir vom Weingut Günther Steinmetz aus Brauneberg an der Mosel, Rheinland-Pfalz, Deutschland. Bezugsquelle: 225 Liter-Handverlesene Weine, München.
Kategorie: 225 Liter (D), Verkostet