La Courtade Rouge 2006

| 9. Mai 2012 Alles lesen

Und wieder geht eine Sortimentsverkostung zu Ende. Leider. Heute beenden wir dieses immer wieder aufs Neue aufregende und lehrreiche Vergnügen mit einem Wein, dessen jüngeren Jahrgang (2009) wir bereits hier verkostet und beschrieben haben; den La Courtade rouge 2006 von Richard Auther von der Domaine de La Courtade auf der Insel Porquerolles. Wir haben diesen Wein schon angekündigt und sind bereits ganz gespannt darauf was drei Jahre mehr in der Flasche aus diesem beeindruckenden Inselwein gemacht haben und wie er sich in dieser Zeit entwickelt hat. Unvergessen ist das Erlebnis mit dem La Courtade 2009, welches sich nachhaltig in unser Gedächtnis eingebrannt hat. Heute steht er also da, der 2006er, als letzter Wein in dieser Runde. Der Respekt ist gross, die Freude auch und trotzdem klingt ein wenig Wehmut mit. Ich muss auf die Insel und wenigstens eine Kiste von diesem aussergewöhnlichen Wein ‘entwenden’.

Was ‘etikettentechnisch’ auffällt ist, dass es keine Unterschiede zwischen den einzelnen gibt, sie alle gleich aussehen und man den Inhalt einzig und allein anhand dessen Farben erkennt. Weiss, rosé und rot. So einfach ist es. Grosse blaue Amphore, umschlungen vom ‘C’ der Domaine und wer wirklich wissen will was drin ist, der findet das, wenn überhaupt, am Rückenetikett.

Der 2006er ‘La Courtade’ ist aus 97% Mourvèdre und 3% Syrah gemacht, ein sehr tanninreicher Wein, welcher seine Adstringenz erst im Laufe einiger Jahre in der Flasche abbaut. Eine Rebsorte mit der man Geduld haben muss wenn man sie in ihrer vollen Pracht und mit ihrem ganzen Potential erleben will. Der ‘La Courtade’ rouge ist fast etwas für Hobby-Archäologen. Für Leute die vor Jahren im Keller eine Kiste irgendwo verbuddelt haben und nun ihre ganz private Ausgrabung vornehmen.

Haben wir dem 2009er zwei Stunden im Dekanter zum atmen gegeben, so trauen wir uns beim 2006er nach bereits einer über das erste Glas. Der Rest bleibt auf jeden Fall für eine weitere Stunde in der grossen ‘Kanne’. Im Glas präsentiert sich der Tropfen tiefdunkelrot mit noch dünklerem Kern. Ausgesprochen dicht und saftig steht der Wein im Glas und lässt nicht den geringsten Einblick zu.

Aromen aus dem Medizinschrank

Schliesslich kommt der ‘La Courtade’ mit etwas ‘Verspätung’ nach 80 Minuten zum ersten Mal ins Glas. Was sofort wieder unbarmherzig auf sich aufmerksam macht ist dieser ‘Duft’ nach Medizinschrank. Es riecht nach Desinfektionsmittel. Erst wenn man da ‘durch’ ist vernimmt man die volle Würze dieses Weins, diese extrem intensive und vor allem so unbekannte wie ungewöhnliche Duftstruktur. Das ist Geruch der einen fordert. Als wollte er sagen “bist Du nicht in der Lage mich zu ertragen, versuche mich erst gar nicht”. Freunde von fruchtigen Buketts werden dieses hier als stinkend bezeichnen. Kenner wissen was sie an diesem Bukett haben und was sie erwarten können. Im Gegensatz zum 2009er ist dieses Bukett aber weicher, wärmer und etwas dichter. Ich würde sogar sagen es riecht saftiger.

Raue Schale, weicher Kern

Zeit den Wein zu kosten. Gross ist die Spannung und auch die Erwartung. Hat sich doch schon in der Nase augenblicklich alles wieder zurück gemeldet was von diesem Wein in Erinnerung war. Weich und füllig gleitet der ‘La Courtade’ jetzt über die Zunge und den Gaumen und zeigt sich nicht so brutal wie der 2009er. Keine Frage, die Gerbstoffe haben auch in diesem Wein das eindeutige und alleinige Kommando, zeigen sich von ihrer stärksten Seite, hinterlassen dabei aber ein ganz feines, samtiges Mundgefühl. Auch in diesem Wein wird Frucht vergeblich gesucht. Hier finden Sie Leder und Tabak, Holz und feste Würze, Stein und alles was der Boden sonst noch so zu bieten hat. Dieser Wein ist Terroir in des Wortes Sinn.

Die grosse Überraschung ist die Leichtigkeit des Weines der so mächtig, kraftvoll und mit voller Wucht sich seinen Weg bahnt. Der unbarmherzig zupackt im Mund, sich ohne Rücksicht auf Verluste auf den Gaumen stürzt und dabei trotzdem leicht, frisch und kühl bleibt. Knochentrocken aber trotzdem saftig, druckvoll aber doch leichtfüssig breitet sich der ‘La Courtade’ im Mund aus und zeigt einem was ‘mediterran’ wirklich heissen kann.

Wie eine Fahrt im Orient-Express

Es ist wie schon beim 2009er schwer diesen Wein seiner würdig zu beschreiben. Nicht weil man es nicht könnte, sondern weil es einfach schwer ist zu vermitteln, dass es nur ein ‘Ja’ oder ‘Nein’ geben kann. Dieser Wein kennt keinen Kompromiss. Man liebt ihn oder man hasst ihn, im wahrsten Sinn des Wortes. Dazwischen gibt es nichts. Der ‘La Courtade’ ist rücksichtlos, authentisch, ungeschönt, bodenständig und – für mich – einfach umwerfend. So ‘stinkig’ sein Bukett für empfindliche Nasen sein mag, so faszinierend und herausfordern ist es für Weinfreunde die Abenteuer mögen. So brutal er schmeckt (im positivsten Sinn) und abweisend er für Freunde süsser Frucht ist, so interessant, aufregend und vor allem lehrreich und horizonterweiternd ist er für jene, die mit einem Wein ‘auf die Reise’ gehen wollen. Ich fühle mich mit dem Inseltropfen wie auf einem Trip mit dem alten Orient-Express, als man noch von Wien nach Konstantinopel fuhr. Mit jedem Kilometer (Schluck) vertieft sich meine Beziehung mit dem ‘La Courtade’. Es wird ein fast inniges Verhältnis, weil man sich einfach ohne Vorurteil gewähren lässt.

Zwei Stunden ist der ‘Franzose’ jetzt bereits im Dekanter und das Resumme im Vergleich zum 2009er ist jenes, dass dieser hier, der aus 2006, seinen Vorsprung von drei Jahren in der Flasche mit Stolz ausspielt. Gerbstoffdicht und samtig rasselt er über den Gaumen, hüllt ihn weich und seidig ein, protzt mit Mineralität die fasziniert und präsentiert sich knochentrocken und mit saftiger Würze. Er ist weicher, süffiger (was fast schon einer Liebkosung dieses Weines gleichkommt) und er spielt förmlich mit seinen Aromen. Ich will auf der Stelle wissen wie dieser Wein im Jahr 2016 oder später schmeckt.

Blue Chip für Abenteuerlustige

Der ‘La Courtade’ ist der perfekte Sommer-Rotwein. So man gewillt ist sich in eine ‘Schlacht’ zu werfen und sich von seinem bisherigen Idealen zu verabschieden. Leicht gekühlt reinigt dieser Wein den Mund mit raffnierter Mineralik, mit herben Aromen von Holz und einer kräutrigen Würze die beeindruckt. Er lässt einen nach jedem Schluck staunend zurück, rücksichtlos und mit dem gleichen unwiderstehlichen Charme wie der ‘Coole Onkel Charlie’. Mit seinem ‘Duft’ macht er Sie, so er sie nicht umgehauen hat, noch neugieriger, lächelt Ihnen ins Gesicht und fragt ‘ob Sie auch Manns genug sind sich mit ihm einzulassen’. Der ‘La Courtade’ ist kein Wein für romantische Stunden, vergessen Sie das gleich wieder. Aber wenn Sie ein fröhliche Party feiern, mediterranes Flair geniessen und für Aufsehen und Überraschung sorgen wolllen, dann ist der ‘Rote’ der riesengrosse Tupfen auf dem ‘i’. Okay, knappe 22 Euro sind kein Kleingeld, aber wenn Sie wirklich Weine kennenlernen wollen wo Qualität und Anspruch keine leeren Floskeln sind, dann ist der ‘La Courtade’ rouge 2006 ein echter Blue Chip.

Tipp: Unbedingt 1 1/2 – 2 Stunden im Dekantener atmen lassen. Servieren Sie den Wein am besten bei ca. 16º zu deftiger Sommerküche, gegrilltem Gemüse, BBQ, etc. Wenn Sie wirklich abenteuerlustig sind, dann gönnen Sie sich von dem Tropfen ein Gläschen ohne alles. Sie werden überwältigt sein.

Verkostet wurde ein ‘La Courtade’ rouge 2006 von der Domaine de La Courtade auf der Insel Porquerolles vor der Côte d’Azur, Frankreich. Zur Verfügung gestellt wurde uns der Wein von Richard Auther von der Domaine de La Courtade.

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