OT 2009
Einen Wein von einem aussergewöhnlichen Mann haben wir heute exklusiv auf unserem Tisch der Wahrheit stehen. Jenem Mann, der in den 1980ern mit seinen Fotos nicht nur für weltweites Aufsehen, sondern in manchen Ländern sogar für faustdicke Skandale gesorgt hat. Haus- und Hoffotograf bei Benetton war er, die Rolling Stones, Andy Warhol und Frederico Fellini standen vor seiner Kamera. Seit Jahren ist Oliviero Toscani auch Winzer, lässt Angelo Gaja, der auch kein Unbekannter und noch dazu sein ‘Nachbar’ ist an seine Trauben und bringt gerademal zwei Weine heraus. Einen davon, auf seine typisch unkonventionelle Art, mit nur einem Etikett in drei verschieden Farben. Nämlich Magenta, Yellow und Cyan. Nicht nur einfach bunt, sondern einerseits eine Hommage an seinen Lehrmeister Johannes Itten, sowie für ‘Eingeweihte’, die drei Farben aus dem CMYK-Farbmodell darstellend, welche die Grundlage für den Vierfarbdruck sind. Ach ja, der Wein! Ein OT 2009, so schlicht wie einfach auf Oliviero Toscanis Initialen reduziert. Eine Cuvée aus Syrah, Cabernet Franc und Petit Verdot. Exklusix ist dieser Tropfen deshalb, weil es ihn offiziell noch gar nicht gibt. Wir dürfen heute quasi eine ‘Anteprima-Verkostung’ durchführen und sind entsprechend gespannt was uns erwartet.
Dunkelschwarz steht die Burgunderflasche auf dem Tisch. Auf ihr das wohl reduzierteste Etikett das man sich vorstellen kann. Aus gestanzter Folie klebt kreisrund in blitzblau, fachsprachlich CYAN, das Logo von Oliviero Toscani, OT auf ihr. Das T im O, damit auch nicht der geringste Platz ‘verschwendet’ wird. Unterhalb auf einer ebenfalls gestanzten Folie oliviero toscani. Damit man weiss wofür das Logo, welches auf den ersten Blick sogar einen leicht okkulten Eindruck macht, steht.
Das schwarze Rückenetikett ist ebenso in blitzblau bedruckt und beschränkt sich auf seinen ‘Erzeuger’ sowie den Jahrgang. Was sofort ins Auge sticht sind 14,5% und bevor wir uns dieser Wuchtbrumme annehmen, kommt sie zum Akklimatisieren und Sauerstoff aufnehmen für eine Stunde in den Glasballon.
Dunkelwürzig dampfend
So schwarz wie die Flasche ist, so schwarz steht der OT im Glas. Zum Rand hin eine leichte Aufhellung ins Granatrote. Noch relativ verschlossen ist der Duft nach einer Stunde Luftzufuhr. Am ehesten ist eine rauchige Wolke wahrnehmbar, reife dunkle Früchte, Brombeeren, fette Kirschen, fast ein wenig likörhaft. Holz, dunkles Laub, nasse Erde riecht man. Nach mehrmaligem Schwenken wird alles intensiver, es dampft im Glas, nimmt Fahrt auf und eine braune Würze tritt hervor. Alles wird dichter und kräftiger und nähert sich langsam aber sicher in seiner Intensität an jene 14,5% an die am Etikett stehen. Kein Duft für Schwachbrüstige.
Reife Frucht & Süsse Würze
Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Vom Geschmack und Mundgefühl kommt etwas völlig anderes in den Mund, als man erwartet hat. Das was sofort reinhaut und sich mit Nachdruck bemerkbar macht sind eben jene 14,5% die Eindruck schinden. Auf der Zunge in Kirschfrucht verpackte Kakaobohnen, dunkle Brombeeren und extrahierter Saft. Braun im Gefühl, viel Erde, viel Holz, viel dunkles, aber auch süsses Gewürz. Und vor allem mächtig Drehzahl. Was überrascht ist, dass der OT nicht fett daherkommt und in Breite aufgeht, er zieht sehr gerade über die Zunge, führt sogar eine gewisse Frische mit sich, aber im Abgang packt er dann den Hammer aus und zeigt wieviel Kraft er unter der Haube hat. Es ist sehr komplex was sich im Mundraum abspielt, sehr kompakt, dicht und auch gewissermassen konzentriert. Reife Frucht mit süsser Würze vermengt sich zu einer im wahrsten Sinn des Wortes mächtigen Wuchtbrumme.
Nichts für Warmduscher
Nach zwei Stunden an der Luft dampft es jetzt richtig im Kessel. Saftige Kirschen, noch saftigere rote Johannisbeeren und dunkle Brombeeren drehen ihre Runden. Auf der Zunge dunkelfruchtig, saftig, konzentriert. Zimt macht sich bemerkbar. Ein Hauch von brauner Erde liegt auf ihr. Man schmeckt Lakritze, dunkelschwarz und rau. Fast hat der OT etwas Rustikales an sich, wofür die 15% Petit Verdot in ihm sorgen. Es ist alles saftig, in Holz und Gewürzsträusse verpackt und wirkt ein wenig ‘bäuerlich’. Irgendwie sogar ein wenig mystisch. Über den Gaumen zieht der OT mit einem feinen Gerbstoffgerüst mit mächtig Schwung und auch einer gewissen Frische drüber, verabschiedet sich in einem kraftvollen, saftigen und rauchigen Finale, welches erst nach Minuten wieder endet. Erst jetzt spürt man seine dichte Struktur, spürt ihn wie er an den Zungenrändern Druck macht und sich ein wenig ‘aufgewärmt’ so richtig ins Zeug legt.
Eines steht fest: Der OT ist trotz seiner Wucht, seiner Kraft die er hat und diese auch spüren lässt, ein überraschend frischer Wein. Der aber mit Sicherheit, um zwei Grad zu warm genossen, zur absoluten Falle wird. Es wäre fatal sich vom konzentrierten Saft und den durchaus süssen Gewürzen verleiten zu lassen ein Glas zuviel zu konsumieren. Auf keinen Fall ist der OT für Warmduscher oder Ängstliche. Wenn er es schafft auf 13 bis 13,5% runter zu kommen, dann wird dieser Tropfen ein echter ‘Charmeur’ mit dem man sich gerne seine Zeit vertreibt. Aktuell ist er ein ‘Power-Ranger’ mit einem süssen Lächeln, welches man jedoch auf keinen Fall falsch interpretieren sollte. Um die 25 Euro kostet Oliviero Toscanis OT. Um viele Nullen günstiger somit als seine ‘eigentlichen’ Werke und damit auf jeden Fall ein Investment wert.
Tipp: Zwei Stunden in der Karaffe tun ihm äusserst gut. Bei 16-18º (max.) geniessen. Zu opulenter toskanischer und norditalienischer Küche, sowie zu kraftvollen Fleisch- und Gemüsegerichten. Als Solist ein charmanter, aber nicht ungefährlicher Begleiter.
Verkostet wurde ein OT 2009 von Oliviero Toscani aus Casale Marittimo, Italien. Der Wein wurde uns via Andrea Seidler von ViP-Weine aus Köln zur Verfügung gestellt. Wer mehr über Oliviero Toscani und seine ‘Geschichte’ erfahren will, kann sich dazu einen spannenden Bericht downloaden.
Kategorie: Oliviero Toscani (I), Verkostet