Porcheria 2011
Es ist wieder soweit. Es wird wieder richtig schweinisch. Die Wildsäue sind nämlich zurück. Die erste hiess Porcosporco und war rosa und die zweite namens Porcobrut hatte Blasen und schäumte. Die dritte Sau die heute am Tisch der Wahrheit steht ist nichts davon, ausser rot und still. Porcheria, ein ‘schweinischer Blend’ von zum grössten Teil Marzemino nero, etwas Lagrein, einem Schuss Gropello und einem Becher Pinot Nero. Alles zusammen wurde einfach in große Holzfässer geschüttet und dort zusammen vinifiziert. Spontan vergärt mit wilden Hefen, ungeschönt und unfiltriert abgefüllt. Marco Giovanni Zanetti meint, dass der Tropfen auch für Veganer geeignet ist. Was aber Perlen vor die Säue bedeuten würde, weil sich zum Porcheria einfach alles, ausser Veganes anbietet. Deshalb bin ich auch im Regen durch die Stadt getrabt und hab’ mir italienische Salsiccia organisiert, um der Sache richtig Pepp zu geben. Doch dazu später.
Kein Etikett auf Marcos Flaschen ohne das Leitmotiv darauf. IN MARZEMINO WE TRUST. Und ebenso kein Etikett ohne die obligate Wildsau die von rechts ins Bild trabt. Ich mag den Eber mittlerweile, weil er irgendwie etwas anarchistisches vermittelt. Wie üblich steht ein flächendeckendes X in rot und weinrot im rechten Teil und in dessen Mitte Zio Porco Wines. Der linke Teil des weissen Etiketts verkündet in Grossbuchstaben den Namen des Protagonisten der in der Flasche ist, PORCHERIA. Unten drunter SWINISHNESS BLEND, was soviel viel wie ‘schweinischer Verschnitt’ heisst. Am unteren Rand der Jahrgang 2011 sowie Veneto Rosso IGT. Alles was sonst noch drauf sein muss steht ganz rechts aussen, auf ein Rückenetikett hat man verzichtet. Damit die Wildsau aber nicht völlig unkontrolliert aus ihrem engen Gehege stürmen kann, wird sie zur sanften Eingewöhnung vorerst für eine Stunde in die Karaffe entlassen. Man weiss ja nie was einem Eber alles einfällt wenn er losgelassen wird.
Holunder, Thymian & eine süsse Würze
Dunkelrot wie Stierblut steht der Porcheria im Glas. Ein leicht violetter Schimmer ist zu sehen. Während des Umfüllens in die Karaffe sind einem Sauerkirschen und Cassis richtig in die Nase gehüpft, nach einer Stunde Luft ist es in erster Linie würzig. Thymian riecht man am stärksten heraus, als hätte man seine Nase in einen Strauch davon gesteckt. Etwas Tabak steht im Glas, dunkle Holunderbeeren riecht man. Zarte florale Anklänge tauchen auf, alles wird ein ungemein vielschichtiges Aroma bei dem man immer wieder neue Gerüche entdeckt. Ganz weit hinten ein Schuss Holz. Und vorne ein Tick von süsser Würze in den Nasenflügeln.
Wenn die Zunge Rolle rückwärts macht
Gerbstoff, Säure, Gerbstoff, Säure und ein glückliches Grinsen im Gesicht. Es ‘rieselt’ richtig auf der Zunge, es raschelt nur so vor Tanninen, die fein wie Sand auf ihr in Kombination mit einer mehr als lustig-frechen Säure abwechselnd für Staunen sorgen. Saftig, rotfruchtig, süss-würzig, leicht speckig, etwas nelkig und vor Säure strotzend, macht sich der Porcheria über den gesamten Mundraum her. Die Zunge kommt gar nicht mehr damit nach, sich selbst die Gerbstoffe von ihr abzustreifen, der Gaumen wird genauso eingehüllt in diesen feinen Film und während man sich die Tannine versucht abzureiben, setzt die Säure gnadenlos ein und lässt beide auf die Hälfte ihrer Fläche schmilzen. Da ist ein echter Spassbolzen im Mund. Saftig, fruchtig und so lebhaft, dass man am liebsten den ganzen Mund mit ihm füllen möchte. Spürt man zuerst nur die Gerbstoffe, so bleibt am Ende nur die fruchtige Säure übrig, welche die Zunge auf der Stelle eine Rolle rückwärts machen lässt.
Spektakel von Säure & Gerbstoff
Hat man sich vom ersten eindrucksvollen Auftritt erholt, merkt man plötzlich auch die Fruchtaromen die sich da so tummeln. Ein Tick schwarze Johannisbeere ist da, dunkler Holunder und auch eine Prise weissen Pfeffers steht zur Diskussion. Was auffällt ist, wie leicht sich der Porcheria im Mund anfühlt. Eine Textur wie ein Seidenkleid, aber doch genug Kraft um sich des Begriffes Leichtgewicht zu entziehen. Die Kombination von Säure/Gerbstoff ist eine die man ohne jeden Zweifel als aussergewöhnlich gelungen bezeichnen kann. Auf der Zunge steht der pure Saft aus dem Tannine wie aus feinsten Düsen triefen und sich dann, wenn man mit der lustigen Säure auf der Zunge übrig geblieben ist, unter die Lippen verziehen, wo sie einen süss-würzigen Pelz hinterlassen. Der mehr einem Kaschmirtuch als einem toten Hasen gleicht. Der Gaumen geniesst es wie sich rote Frucht mit einer guten Portion von Nelke am ihm abreibt und im Abgang wird man zum erklärten Fan der Marzemino’schen Wildsau. Ein Spektakel, das mächtig Spass im Mund macht und sich nachhaltig ins Gedächtnis prägt.
Da ich Marco Giovanni Zanetti, dem Winepunk, versprochen habe zu allen Weinen die ich von ihm verkoste auch entsprechend aufzukochen, habe ich für den Porcheria – seiner Empfehlung folgend – Salsiccia eingekauft. Und weil es ungefähr 14000 Zubereitungsarten gibt, habe ich mich für die zwei einfachsten entschieden. Einmal ganz, einmal ein wenig ‘rustikaler’. Was da jetzt mit dem Porcheria im Mund abgeht ist einfach ‘schweinisch’. Oder geil. Keine Spur mehr von Gerbstoff, nur ganz leicht herb im Abgang, dabei aber geballte Frucht und dichter Saft. Leichtfüssig, süffig und dank der Würze auch wunderbar mit dem Rosmarin und dem Bratwurstaroma der Wurst harmonierend. Als hätte man die Beiden füreinander geschaffen. Dazu braucht man dann auch einen ganzen Eimer des Porcheria, weil er einfach perfekt dazu passt und sich erst im Mund mit den Kartoffeln und der Wurst zu einem Göttertrunk vermischt. Die Sau der Wein ist einfach göttlich, grandios und geil. Das ist Saufwein vom Feinsten. Jetzt bin ich endgültig Marzemino-Fan und süchtig nach dem Tropfen. Wer Spass im Glas will sollte sich den Porcheria bunkern. Das Delirium mit Wurst und Bratkartoffeln zu erleben könnte nämlich lustvoller nicht sein.
Tipp: Eine Stunde Luft in der Karaffe braucht er, zwei liebt er. Mit 14-16º geniessen. Schreit nach Salsiccia mit Bratkartoffeln und Rosmarin. Macht als Alleinunterhalter allergrössten Spass und säuft sich weg als gäbe es kein morgen.
Und weil der Porcheria einen im Stile eines Blitzkriegs überfällt, darf selbstverständlich nicht entsprechende Musikbegleitung fehlen. Auf dass es rasch und niemals enden wolle.
IN MARZEMINO WE TRUST! Verkostet wurde ein Porcheria 2011 – Swinishness Blend von ZIO PORCO WINES di Marco Giovanni Zanetti, Strada Soarda, 26, 36061 SAN Michele di Bassano del Grappa (VI), ITALY. Mehr Informationen unter www.zioporco.com
Kategorie: Verkostet, Zio Porco Wines (I)