Schellmann ‘In Gumpoldskirchen’ 2009

| 28. Februar 2012 Alles lesen

Der dritte Wein der Weisswein-Runde zum Thema Weinvergnügen unter 13 Euro versetzt mich auf gewisse Weise in meine Kindheit zurück. Als echtes ‘Heurigenkind’ wurde ich von meinen Eltern jeden Samstag zu irgendeinem Heurigen (Buschenschank) mitgeschleppt, ob ich wollte oder nicht. Gumpoldskirchen war neben Traiskirchen das ‘Revier’ meines Vaters und so waren mir schon als Kind Rotgipfler und Zierfandler zwei geläufige Rebsorten. Es gab keinen Heurigen den ich und keinen Winzer der mich nicht kannte. Heute steht die Cuvée ‘In Gumpoldskirchen‘ vom Weingut Schellmann am ‘Tisch der Wahrheit’ und etwas Nostalgie schwingt mit als ich die Flasche öffne.

Fred Loimer, der zu den besten Weißweinproduzenten Österreichs gehört, holt mit seinen Partnern Ossi Schellmann, Marcus Mittermeier und Max Palla mit dieser Cuvée Gumpoldkirchen aus der Vergangenheit zurück. Aus jener, als der Ort noch zu den berühmtesten Weinbauorten der Thermenregion gehörte.

Die Burgunderflasche ziert ein Etikett, welches sich erfrischend aus den ‘handelsüblichen’ Kunstwerken hervorhebt. Es ist ein ‘kreatives’ Etikett, bedacht auf weniger ist mehr, aber dieses Wenige muss ‘fetzen’, wie man auf gut wienerisch sagen möchte. Es ist dank der weiss-schwarz-gelben Farbgestaltung sowie der wuchtigen Typo äusserst impactstark. Schellmann steht in Riesenlettern oben, darunter Gumpoldskirchen und der Jahrgang, so gross wie auf einem Kinoplakat.

Das ganze steht auf einem formatfüllenden, überdimensionalen gelben S und wer mehr wissen will, der findet den Rest, ebenso plakativ, auf den weissen ‘Seitenteilen’ des in einem Stück aufgebrachten Papiers. Als Draufgabe ist das fetzige Etikett noch partiell lackiert. Der Einfluss eines ‘Werbers’ aus diesem Quartett ist unverkennbar.

Dicht und saftig

Goldgelb schimmert es im Glas und der Wein schmiegt sich schön an der Innenwand an. Dick schmiert er von dieser wieder als ganzer Film ab und lässt entsprechenden Gehalt erahnen. In der Nase duftet es dicht und etwas süsslich. Trotz der Frische die man wahrnimmt ist das Bukett aussergewöhnlich saftig und opulent. Es ist eine Nase wie man sie nicht oft riecht. Weit weg von typischen reinsortigen Weinen strömen hier Düfte aus dem Glas die so eigenwillig wie ungewöhnlich sind. Ein Duft der fordert, der intensiv erforscht werden will und der die Nase auf neue Geruchspfade führt.

Aromatisch, lebhaft und viel Pfeffer

Der erste Schluck löst bei mir leichtes Erstaunen aus. Nach all den reinsortigen Weinen die ich in der letzten Zeit verkostet habe trifft hier ein Wein auf die Geschmacksnerven, der erst einmal Verwirrung auslöst. Es ist saftig im Mund, es ist würzig und es ist hoch aromatisch. Ist es der Rotgipfler wie ich ihn aus meiner Jugend kenne, oder ist es der Muskateller der sich leicht süsslich über den Gaumen zieht? Die Würze des Traminers versteckt sich auch nicht grade. Der Wein ist eine Herausforderung, im positiven Sinne. Nochmal schnell nachgekostet und vorab in die Kategorie ‘aromatisch-gelb’ eingereiht.

Auch wenn es sich bei diesem Wein nicht um einen Grünen Veltliner handelt, so hat die Cuvée ‘In Gumpoldskirchen’ richtig Pfeffer und strotzt nur so vor Lebhaftigkeit. Nach einer kleinen Weile öffnet sich der Wein im Glas noch mehr und es treten saftige Fruchtaromen hervor. Angemerkt sei, dass das erste Glas trotz Dekantierempfehlung direkt aus der Flasche kommt und der Rest in der Karaffe auf seine Bestimmung wartet.

Charaktervoll & Exzentrisch

Bei all der opulenten Aromatik gleitet die Cuvée cremig über Zunge und Gaumen und deutet nur ganz vorsichtig ihre Säure an. Nach einer halben Stunde in der kleinen Karaffe zeigt sich das zweite Glas vom Bukett verhaltener und konsolidierter. Es riecht jetzt kompakter, ohne jedoch die Aromatik verloren zu haben. Im Mund präsentiert sich die Cuvée ein wenig herber, aktiver und trockener. Der Wein bleibt trotzdem weich und rund, gleitet jetzt aber klarer definiert über die Zunge. Wunderbar fruchtig und weiterhin hoch aromatisch sowie mit toller Struktur versehen. Ein richtig süffiger, pikanter und mundfüllender Wein für Leckermäuler.

Die Mischung ist für die heutige Geschmackskonditionierung sicher ‘exotisch’, aber genau dieser Mut zeichnet ‘In Gumpoldskirchen’ aus. Der Wein schmeckt wirklich anders, er verlässt bewusst asphaltierte Strassen und führt ins geschmackstechnische Outback, das einen fordert und viele Überraschungen bereit hält. ‘In Gumpoldskirchen’ sollte Gumpoldskirchen alle Ehre machen und Freunden von ‘exzentrischen’ Weinen ein Lächeln ins Gesicht zaubern. 11 Euro ist die pfeffrige Cuvée auf jeden Fall wert und wer regionalen Charakter und ebensolche Typizität im Glas haben will, der erhält um diesen Betrag echtes Kino geboten.

Tipp: Lassen Sie den Wein zumindest eine halbe Stunde in der Karaffe atmen. Eignet sich im Sommer für Pfeffer im Leben und bringt im Winter wohlig warme Würze in die Hütte. Als echter Universaltropfen für jeden Anlass geeignet.

Wein & und Winzer-Info:


Wein: ‘In Gumpoldskirchen’ (Cuvée) 2009
Winzer: Schellmann (Loimer, Schellmann, Mittermeier, Palla)
Trinkbar ab: sofort
Optimale Reife: 2011-2014+
Besonderes: In Umstellung auf biodynamischen Weinbau
Dekantieren: Ja

Der Wein wurde uns von der K&U Weinhalle aus Nürnberg zur Verfügung gestellt.

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