Schilfwein ‘Zweigelt’ 2011
Die zweite süsse Versuchung die wir vom Illmitzer Angerhof Tschida öffnen ist etwas ganz Besonderes. Ein sogenannter Schilfwein aus der Rebsorte Zweigelt. Das Besondere am Schilfwein ist seine Gewinnung bzw. Herstellung. Dazu werden, vereinfacht beschrieben, die Trauben auf langen Schilfmatten getrocknet und nach einigen Wochen wird das was von ihnen übrig geblieben ist (und das ist alles andere als reichlich) gepresst und vergoren. Im Durchschnitt benötigt man für einen Liter Wein zehn Kilo getrocknete Trauben und somit sollte klar sein, dass es von diesem Zaubertrank nur entsprechend spärliche Mengen gibt. Wir haben den Schilfwein ‘Zweigelt’ 2011 am Tisch der Wahrheit stehen und weil wir echte Leckermäuler sind, haben wir auch eine Tafel venezolanische Porcelana aufgemacht. Eine Killerkombination schlechthin.
Wie schon der Eiswein ‘Gelber Muskateller’ ist auch der Schilfwein in der kleinen 0,375l Flasche abgefüllt. Auch diese ziert ein turmhohes weisses Etikett mit einer feinen Goldumrahmung. Strikt dem Corporate Design folgend in der Mitte wieder das grosse Emblem mit TSCHIDA drin und unterhalb in gold Schilfwein Zweigelt und der Jahrgang. Oben wieder der kleine runde Sticker mit dem Hinweis ‘Sweet Winemaker of the Year’ darauf. Am Rückenetikett der Rest der wissenswert ist.
Himbeeren & Blutorangen
Entgegen der Vermutung fliesst hier kein dicker, fetter und hoch konzentrierter Wein ins Glas, nein. Es ist konzentrierter, keine Frage, wirkt aber eher wie etwas zu dick geratener Himbeersaft. Und so sieht es auch farblich aus. Dunkelhimbeerrot und durchaus klar in der Erscheinung. Was im Glas ist duftet einem dann schon aus drei Meter Entfernung entgegen. Intensiver Himbeerduft in Kombination mit dem Saft frischer Blutorangen. Es riecht nicht pappsüss oder klebrig, ganz im Gegenteil. Frisch duftet es in der Nase, spritzig, pikant und auch ein wenig schokoladig. So als hätte man eine Tafel Schokolade durch das Fruchtkompott gezogen. Eindringlich, umwerfend.
Pfefferwürze!
Und es hat ‘schmatz’ gemacht. Wenn einem die 252 g/l Restzucker auf die Zunge hüpfen schlägt diese förmlich Kapriolen. Sie suhlt sich fröhlich in saftigen Himbeerearomen, streckt sich nach den frischen, mit frecher Säure versetzten Blutorangen und wundert sich letztlich über den überaus deutlich definierten Pfefferschub der sich am Ende stolz bemerkbar macht. Alles hätte man erwartet, aber keine Pfeffernote. Wie kommt die rein, wo kommt die her und was hat Pfeffer in einem Süsswein zu suchen? Mehr als nur ein Fragezeichen. Und doch ist es genau diese Pfefferwürze die diesen Schilfwein so interessant macht. Presst man den Wein nur stark genug am Gaumen ab, dann spürt man ganz kurz was ‘Scharfes’ im Abgang, was sich aber sofort in kühler und frischer Beerenaromatik auflöst.
Wirkt schlanker als er ist
Hat man sich nach dem grossen Staunen wieder voll im Griff, merkt man wie der Schilfwein direkt auf der Zungenmitte steht und auch über diese wieder abfliesst. Er geht nicht in die Breite, trotz seiner süssen Opulenz, er gräbt sich direkt auf dem Mittelstreifen ein und pfeffert auch die Blutorangen vornehm ein. Auch wenn der Wein schon lange seinen Weg gegangen ist, die Würze steht noch ewig auf der Zunge und auch am Gaumen hat sie sich festgesetzt. Bleibt normalerweise von einem Süsswein meistens auch die Frucht im Mund erhalten und wirkt entsprechend lange nach, so zeichnet den Schilfwein eben diese pikante Pfefferwürze aus, welche eine leichte Himbeeraromatik neben sich mitführt.
Trotz des hohen Restzuckers kommt der Schilfwein nicht zu süss daher. Es gibt reichlich ‘Kameraden’ die gerademal die Hälfte haben und bereits als Klebstoff durchgehen. Hier ist alles in Balance, feine Säure verleiht frische Spritzigkeit, der eingebaute Pfefferstreuer puffert die Süsse weit hinunter und lässt so ein Mundgefühl enstehen, das einfach grossen Spass und in keinster Weise satt macht. Das ist Süsswein einmal völlig anders interpretiert und wer diesen ‘Zweigelt’ einmal gekostet hat, der will sicher öfter mal ein Glas davon. Auf 30-35 Euro beläuft sich der Genussbeitrag und in Anbetracht des Aufwandes mit welchem dieser Wein hergestellt wird und welcher Ertrag daraus resultiert, relativiert sich dieser Preis entsprechend.
Tipp: Geniessen Sie den Schilfwein um die 8º zu Schokospeisen aller Art, oder brechen Sie eine Tafel feinster Bitterschokolade an (75% und mehr) und staunen Sie was dann passiert. Als Solist ein echter Dandy und Charmeur mit Pepp.
Verkostet wurde ein Schilfwein ‘Zweigelt’ 2011 vom Angerhof Tschida aus Illmitz im Burgenland, Österreich.
Kategorie: Tschida (A), Verkostet