Sgaminegg 2007

| 24. Mai 2013 Alles lesen

Weiter geht die Reise mit jenen Weinen, die mir in den letzten Monaten allesamt ans Herz, bzw. den Gaumen gewachsen sind. Heute wird wieder ein Tropfen vom Weingut Maria & Sepp Muster aus der Steiermark geöffnet, ein Sgaminegg 2007, bestehend aus Morillon (Chardonnay) und Sauvignon Blanc. Sgaminegg, das ist die wertvollste und gleichzeitig auch steinigste und kargste Weingartenlage des Weinguts, das Mitglied der Wertegemeinschaft Schmecke das Leben ist. Geringste Erträge (15 bis 20 hl/ha) sind die Folge dieser kargen Lage. Bevor der Sgaminegg in die Flasche wandert dreht er 22 Monate in kleinen und grossen Holzfässern völlig ungestört und in aller Ruhe seine Runden. Wir haben heute eine Flasche aufgemacht und freuen uns schon wieder riesig auf ein zwei Tage dauerndes Verkostungsabenteuer.

sgaminegg Wie alle Flaschen vom Weingut Muster ziert auch diese das von Beppo Pliem gestaltetet Etikett aus der Serie ‘Horizonte’. Der untere Teil wieder in erdigem braun gehalten, stilisiert wie gewohnt die Farbe des Bodens, seine Kargheit, aber auch seine Wärme und der gelbe Horizont wird wieder von feinen grünen und orangen Farbverläufen begrent. Ein Blick ins Land, sozusagen, verträumt, warm und Wohlgefühl vermittelnd. Unten rechts wieder MUSTER ‘eingebrannt’ und in bereits bekannter Schreibmaschinentypo Sgaminegg im Boden eingedruckt.

Das Rückenetikett informiert über die Bedeutung des Wortes Sgaminegg, welches für ‘vom Stein’ steht und auf die Beschaffenheit der Böden hinweist. Ebenso wird über die Lage und den Wein informiert. Auf die demeter-Zertifizierung wird mittels aufgedrucktem Siegel ebenso hingewiesen wie auch eine Empfehlung der idealen Trinktemperatur nicht fehlen darf. Damit der Tropfen aus ‘bester Lage’ sich entsprechend auf seinen Auftritt vorbereiten kann, wird er für 90 Minuten in der Karaffe allein gelassen. Danach steht der Befüllung der grossen Burgundergläser nichts mehr im Wege.

Geruch zum Fühlen

Wie das Gold von Fort Knox steht der Sgaminegg im Becher. Dick, satt, fast schwer in der Farbe, wie Öl und keine Spur von trüb. Glasklar, rein und strahlend wie Goldbarren das eben tun. Fette Schlieren ziehen runter und deuten eindeutig Gehaltvolles an. Schon beim ersten Eintauchen der Nase in den Kelch macht sich konzentrierte Mineralik bemerkbar. Intensiv, fordernd, mächtig kraftvoll und keine Zweifel daran lassend, dass man nach irgendwelchen Fruchtaromen lange suchen kann. Erfolglos allerdings. Als würde man in einem Bottich voller Steine wühlen, die Erde und den Kalk abkratzen und alles wieder miteinander vermischen. Das was da im Glas steht muss man einfach gerochen, oder treffender bezeichnet ‘gespürt’ haben. Das ist Geruch zum Fühlen. Erst mit der Zeit wird es ‘gelber’ in der Nase, es wird würzig und ein wenig geordneter. Was aber nicht bedeutet, dass man dieses Bukett bereits im ersten ‘Durchgang’ zu erfassen in der Lage ist. Zu komplex ist das was da sein Spiel im Glas treibt. Nach einer knappen halben Stunde! schnüffeln im Burgunderkelch wird endlich angetrunken.

Magisch, sündhaft, opulent und eigensinnig

‘I got the power’ möchte man sagen, wenn der Sgaminegg in empfohlener Trinktemperatur zum ersten Mal in den Mund kommt. Kraftvoll, üppig, konzentriert und weich wie Öl fühlt es sich an. Überraschend ist die frische Säure die in diesem vollen Körper integriert ist und ebenso staunt man über den Geschmack von Muskatnuss im gelben Kleid. Auf der Zunge fühlt sich der Sgaminegg cremig an und erst beim ‘wegdrücken’ spürt man die gewaltige Mineralik die ihre Spuren auf ihr hinterlässt. Am Gaumen wird es warm und rauchig, auch würzig und vor allem dicht. Ein mächtiges Erlebnis das noch lange nachhallt. Der Sgaminegg wirkt opulent, ist aber keinesfalls dick, er ist Elixier in des Wortes Sinn. In ein dichtes, engmaschiges und kraftvoll aromatisches Aromenrad hüllt er die Zunge und betäubt sie fast mit seiner Komplexität, um sie aber genauso schnell wieder freizugeben wenn er aromatisch-würzig über den Gaumen abzieht. Im Abgang spürt man die Muskatnuss, nimmt eher Chardonnay- als Sauvignonaromen wahr und bekommt eine leise Ahnung davon, wohin sich dieser Wein mit Luft und Zeit entwickeln wird. So tiefgründig er ist, so intensiv konzentriert er daherkommt, so fein ist er auch, was kein Widerspruch ist. Das erste Glas neigt sich dem Ende zu und nach einer Stunde fühlt es sich im Mund an als würde der Himmel aufklaren, der Wind auffrischen und alles reiner werden. Der Sgaminegg hat etwas Magisches, etwas das einen fesselt und nicht mehr loslässt. Er ergreift Besitz von Zunge und Gaumen und fordert beide zu einem Spiel nach ‘seinen Regeln’ heraus. Das zweite Glas wird dann am Abend getrunken. Was insoferne gut und richtig ist, weil man (zumindest ich) sich schwerst in diesem Labyrinth von opulenter Sündigkeit verlieren kann. Ich weiss zum jetzigen Zeitpunkt aber bereit eines: Der Sgaminegg ist ab sofort unter meinen Top10-Weinen, die allesamt die gleichen ‘Bewertungen’ haben, weil sie als eigenständige ‘Persönlichkeiten’ betrachtet werden und deshalb keine Punkte oder Sterne brauchen. Ich bin hin und weg von diesem Tropfen! Oh Mann, ist das überhaupt noch Wein?

Auf den Schwingen des Adlers

Am Abend, nach acht Sunden an der Luft, wird das zweite Glas verkostet. In der Nase nur mehr brutale Mineralik, etwas Teig und weiche Würze, Kalk, Erde, Geröll. Im Mund konsolidiert, dichter geworden und runder. Es fühlt sich warm und cremig auf der Zunge an, es schmeckt gelbwürzig und kalkig-mineralisch. Der Sgaminegg ist einerseits dichter geworden, fühlt sich aber jetzt präziser, fokussierter auf der Zunge an. Er ist noch saftiger geworden, opulenter und mundfüllender, ohne sich dabei mollig anzufühlen. Am Gaumen klebt er förmlich, hüllt diesen in eine würzig-mineralische Wolke ein und lässt so etwas wie Muskatnuss und ein wenig Teig erkennen. Es ist warm, es wärmt und es sorgt für Wohlgefühl, welches sich im Abgang noch einmal in ausgeprägter Mineralik zeigt. Ein Schuss Orange begleitet alles, nicht im Sinn von Frucht sondern derer Schale. Es ist so viel was man wahrnimmt, so viel was man schmeckt und nicht schmeckt und noch mehr was man alles spürt im Mund. Eine aussergewöhnliche Weinerfahrung die man nicht an einem Tag erfassen kann. Was sich da im Mund abspielt hat mit ‘herkömmlichem’ Wein nur mehr sehr entfernt zu tun, das ist eine eigene Geschmackswelt der man offen gegenüber stehen muss. Wer das tut, der reitet auf den Schwingen des imaginären Adlers durch eine Weindimension die aufregender nicht sein könnte. Morgen geht es weiter und es fällt schwer, der Rest bis dahin noch ‘am Leben’ zu lassen.

Meditatives Doping

Neuer Tag, neuer Durchgang. Im Duft etwas Frucht vorhanden, Muskat und Orange. Eingehüllt in gelber Würze. Komplett anders als gestern. Irgendwie sogar sanft. Im Mund noch extremer geworden, im Sinne von noch ausgeprägter im Saft und sogar mit einem feinen Stich Säure auf der Zunge. Salz auf der Zungenspitze! Der Sgaminegg lebt jetzt richtig auf ihr auf, pulsiert förmlich in seiner opulenten Fülle und man schmeckt tatsächlich so etwas wie herbe Orange. Er packt die Zungenspitze ein in seinem salzigen Saft, wirkt fast übermütig, erfrischend und spitzbübisch. Konzentrierter Saft steht im Mund, ist frischer, kühler geworden, noch klarer, runder und in sich geschlossener. Es fühlt sich alles sehr weich und cremig an, der Gaumen wird mit einem superfeinen Film von Kalk belegt und im Abgang spürt man eine wie in Seide eingenähte fruchtige Säure mitschwingen. Was bleibt ist Mineralik zum Niederknien, sowie der eindrucksvolle Beweis, dass man Faben, in dem Fall Gelb, sehr wohl schmecken kann.

Es ist schwer den Sgaminegg noch ausführlicher zu beschreiben ohne irgendwann in nicht mehr kontrollierbare Hymnen auf ihn abzuschweifen. Deshalb wird an dieser Stelle gestoppt und sich mit dem ‘abgefunden’ was man erlebt hat. Und das zählt für mich persönlich zum Besten was ich je erlebt habe. Gerade in der letzten Zeit hatte ich das Glück wirklich grosse Weissweine im Glas zu haben, Weine die wirklich ‘outstanding’ waren und immer sein werden. In diese Runde hat sich der Sgaminegg einfach reingestellt, die Hand erhoben und ‘hey, hier bin ich und mit euch nehme ich es locker auf’ verkündet. Dem stimme ich zu, ohne Wenn und Aber. Der Sgaminegg ist ein Wein der einen in sein Innerstes führt, der die Zeit anhält und Genuss in Zeitlupe erleben lässt. Er zwingt einen alles beiseite zu legen, loszulassen und sich selbst auf neue Art wahrzunehmen. Man spürt wie er einen in Besitz nimmt und wie sehr man immer tiefer ihn ihn eintaucht, um noch mehr von seiner Aura in sich aufzusaugen. Der Sgaminegg ist meditatives Doping. Und jetzt ist Schluss!

Tipp: Zwei Stunden in der Karaffe machen ihn ‘ausgehfein’. Bei 12-14º trinken, das ist perfekt! Danach bitte Zeit nehmen und ihn am besten über zwei oder mehr Tage trinken. Solo, ohne alles. Einfach als Seelenbalsam. Grosses Abenteuer!

Verkostet wurde ein Sgaminegg 2007 von Maria & Sepp Muster vom Weingut Muster in Leutschach in der Steiermark, Österreich.

Wenn Sie mehr über diesen Wein erfahren wollen steht Ihnen hier ein Datenblatt zum Download zur Verfügung. Das Weingut Muster ist Mitglied der Wertegemeinschaft Schmecke das Leben.

Stichwörter: , , , , , ,

Kategorie: Schmecke das Leben (A), Verkostet