Sylvaner 2013 Durst

| 14. Februar 2015 Alles lesen

Durst. Kann man mit Wasser löschen. Oder einem Bier. Oder man nimmt dazu die Flüssigkeit jenes Mannes, dessen Name ausdrücklich KEIN Programm ist; Andreas Durst aus Bockenheim an der Weinstrasse. In der Weinszene als Fotograf be- und anerkannt, als Winzer quer eingestiegen und seither höchst erfolgreich unterwegs. Ich habe heute seinen Sylvaner 2013 am Tisch der Wahrheit zur Verkostung stehen von dem Andreas selbst sagt, dass der Wein Zeit und Geduld im Glas braucht. Andere gehen gar so weit und meinen, dass sein im Stahltank ausgebauter Tropfen erst am zweiten oder dritten Tag in absoluter Höchstform ist. Aus diesem Grund wird der Sylvaner auch über zwei Tage verkostet, um zu sehen ob an den Gerüchten wirklich etwas dran ist.

Sylvaner Äusserst minimalistisch ist das Design des Etiketts das auf der langen braunen Schlegelflasche klebt. Weiss wie Schnee und schwarz bedruckt. DURST, unterstrichen und daneben Ein Name, Kein Programm. Unterhalb Sylvaner und der Jahrgang 2013. Unter dieser ‘Informationsflut’ noch ein Logo, das auf den ersten Blick wie eine stilisierte Blume aussieht, auf den zweiten aber zwei Hände aus denen ein Weinglas empor ragt erkennen lässt. Fertig ist das Meisterwerk. Reduziert bis zum Anschlag. Ganz viel weniger ist ganz viel mehr. Am ebenso weissen Rückenetikett ganz oben Pfälzer Landwein, in der Mitte gross 12,5 PS und unterhalb noch eine Verzehrempfehlung die da lautet: Lassen Sie sich nicht vom Durst verleiten, geniessen Sie ihn mit Bedacht, nehmen Sie sich Zeit. Diese wird dem Tropfen auch wie eingangs schon erwähnt gegeben und deshalb darf der Wein, nachdem die Flasche von ihrem Schraubverschluss befreit wurde, zum “Aufwärmen” erst einmal zwei Stunden in der Karaffe ein paar atmungsaktive Runden drehen. Soviel Zeit muss sein, denn Geduld ist eine Tugend, wie man weiss.

Nuss & Erde

Helles strohgelb matcht sich mit leichtem grünlichen Schimmer im Glas. Die Nasenflügel strömen frische Aromen von gelber Frucht, wie überhaupt Düfte aus dem Steinobstgarten hoch. Als Begleitschutz fungiert etwas leicht karamelliges, leicht nussiges. Es fühlt sich weich an in der Nase, erfrischt und ist doch relativ mild. Je mehr man den Sylvaner aber schwenkt, umso mehr drängen sich braune Erdaromen in den Vorderung und lassen alles noch viel intensiver wirken. Nuss und Erde sind die Leitaromen und saftig reife Birnen trappeln brav den beiden hinterher. Alles andere als klassischer Sylvanerduft, eher was aus der Abteilung “Individuelles”.

Cremig, weich und karamellig

So anders wie der Wein in der Nase war, so anders ist er auch im Mund. Furztrocken steht er auf der Zunge, man reiche mir ein Staubtuch. Dabei ist er rund und cremig und vor allem richtig nussig. Mineralik satt, ganz viel Erde, viel Nuss und eine fast schon mollige Erscheinung an den Wangen. Druckvoll steht der Wein im Mund, macht aber keine Anstalten schwer zu wirken. Er ist nur so dicht und cremig, dass es sich nach viel mehr anfühlt als es in Wahrheit ist. Rauchig-speckig zieht er über den Gaumen, im Schlepptau hat er matschige Birnen und im Abgang ist alles plötzlich fein und nebelig. Verwirrung pur für Fans die mit Sylvaner vorrangig Primärfruchtaromatik verbinden. Der hier ist so gesehen völlig von der Rolle und definiert sich über eine bezaubernde, in Gleitcreme verpackte Erdwürze mit feiner Karamellstruktur.

Sylvaner weit abseits vom Mainstream

Je länger der Sylvaner an der Luft ist, umso mehr entwickelt er sich zu einem ausgesprochen erdigen Vergnügen. Walnussaromen drängen immer mehr nach vorne, vermengen sich mit einer eleganten Würze die niemals intensiv, dafür aber umso feingliedriger wirkt. Die Cremigkeit nimmt ab und das Mundgefühl wird immer filigraner. Mineralität bis zum Anschlag lässt den Birnenaromen bestenfalls kurz die Stengel heben um sie postwendend wieder auf ihre Plätze zu verweisen. Es wirkt sogar leicht kalkig am Gaumen, fühlt sich immer mehr weiss an und beeindruckt mit der Trockenheit eines Staubsaugersacks. Auf der Zunge beginnt der Wein ebenfalls aufzutrocknen und man merkt wie an den Rändern eine zarte Salznote abfliesst. Ungemein mild, schüchtern in der Säure, protzerisch in der Mineralik. Der Wein beginnt einen Trinkfluss zu entwickeln der gebremst werden muss, will ich morgen noch den Rest verkosten. Jetzt fängt er an Spass zu machen und genau jetzt ist Ende. Aus “Sicherheitsgründen” wie es so schön heisst. Und morgen, da wird ein völlig anderer Wein im Glas stehen.

Wie erwartet zeigt sich der Sylvaner am zweiten Tag völlig anders als am Vortag. Rassig ist er geworden, richtig knackig tanzt er auf der Zunge, ist herrlich salzig und besticht mit einer ungeheuren Mineralität. Dabei bleibt er weich und cremig auf der Zunge, zeigt wunderschöne bittere Nuancen und zieht einen ganzen Sack voller Walnüsse hinter sich her. Würzig wie auch birnig, vor allem aber kernig-salzig wie auch kalkig steht er im Mund und über den Gaumen schält er sich weich und kräftig Richtung Abgang. Man möchte ihn gern nussig nennen, wenn da nicht diese zermantschte Birnenschale dauernd durch die Szene wuseln und sich zum Hauptdarsteller aufspielen würde. Letztlich schafft sie es nicht unbemerkt zu bleiben, doch zeigen ihr die Erdaromen ihren wahren Platz in der Statistenmeute. Wunderschöner wie auch harmonischer Wein, der jenen die auf Mineralität und Ausdruck stehen grosse Freude machen wird. Sylvaner weit abseits vom Mainstream. Das hier ist Sylvaner mit Charakter. Der locker über eine Woche offen geht.

Tipp: Drei bis vier Stunden in der Karaffe dümpeln lassen. Und dann über zwei, drei und mehr Tage mit 10-12º geniessen. Zu Wiener Schnitzel genauso wie zur banalen Bratwurst geeignet. Für sich allein genossen ein charaktervoller wie auch anspruchsvoller Wein der Aufmerksamkeit einfordert.

Verkostet wurde ein Sylvaner 2013 von Andreas Durst aus Bockenheim an der Weinstrasse in der Pfalz, Deutschland. Bezugsquelle: 225 Liter-Handverlesene Weine, München.

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Kategorie: 225 Liter (D), Verkostet