Weisser Burgunder ‘Kalmit’ 2009

| 12. April 2012 Alles lesen

Die 4. Sven Leiner-Verkostungsrunde wird mit einem Wein eröffnet, der gleichzeitig zu einem ausgedehnten Experiment genutzt wurde. Der Weisse Burgunder ‘Kalmit’ 2009 wurde nämlich über zwei Tage hinweg verkostet und seine Entwicklung an der Luft und natürlich in der Nase und am Gaumen erforscht. Eine Verkostung die nicht zum ersten Mal so durchgeführt, aber heute zum ersten Mal auf diese Weise vorgestellt wird. Ich wollte wissen wie sich dieser Wein, eine Spätlese, der spontan ohne Vorklärung im großen Holzfaß vergoren, 10 Monate auf der Vollhefe im Holzfass belassen und ohne Eingriffe auf Flasche gebracht wurde entwickelt wenn man ihn einmal geöffnet hat. Ein Bio-Wein der mehr bio nicht sein könnte und mich deshalb auf die Idee einer ebenso ‘entschleunigten’ Erforschung gebracht hat. Spannender kann Weinverkostung nicht sein.

Die braune Schlegelflasche zeigt wieder dem Corporate Design folgend ein klares in weiss gehaltenes Etikett mit dem Logo des Weinguts, der Rebsorte in den Notenblatt-ähnlichen drei feinen Linien eingebracht und natürlich dem Namen des Weins, Weisser Burgunder ‘Kalmit’. In gold gehalten auch auf diesem Etikett wieder einer der wertvollen und unverzichtbaren ‘Mitarbeiter’ aus Sven Leiners Weinberg-Team. In diesem Fall ein sehr bekannter Nützling aus der Familie der ‘Coccinellidae’, was zwar den meisten in dieser Sprache nichts sagen wird, als Marienkäfer aber sehr wohl jedem bekannt sein dürfte. Somit erfüllt die lateinische Bennenung von Sven Leiners Mitarbeitern sogar einen ‘Bildungsauftrag’.

Bevor das Experiment jedoch beginnen konnte musste der Kalmit erst einmal für drei Stunden in die Karaffe, in welche er um 09:00 Uhr umgefüllt wurde. Dabei wurde die halbe Flasche in eine mittelgrosse Karaffe für die Verkostung am ersten Tag und der Rest in eine andere für jene am zweiten Tag gefüllt. Karaffe 2 wurde dann geruchsneutral ‘gesichert’ und für den nächsten Tag weg gestellt. Das Experiment, oder besser gesagt das Abenteuer, konnte also beginnen. Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde drei Stunden später der erste Durchgang gestartet.

Tag 1: Der Tag des ‘Kennenlernens’

12:00 Uhr: Aus dem Glas in dem der Kalmit goldgelb schimmert duftet es verhalten bis fast nicht wahrnehmbar. Weich, mit einer Extraportion an Weichheit oben drauf. Man muss die Nase schon ganz tief ins Glas stecken um einen Hauch von Teig- und Nuss, kombiniert mit einer subtilen Mineralität zu riechen. Ist da wirklich Wein drin? Der Gaumen sagt JA! Butterweich, sanft, aber doch mit einer gewissen Rasse gleitet der Kalmit süsslich-spritzig über die Zungenspitze. Am Gaumen schmeckt man warmen Teig, ganz weich in eine ebenso sanfte Würze eingebunden. Richtig cremig schmiert sich der Wein über die Lippen und hinterlässt eine wohliges Gefühl darauf. So wie sich der Pegelstand im Glas verringert, so nimmt der Kalmit an Frische und Mineralität im Duft und auch im Mund zu. Die ‘Spritzigkeit’ welche sich bemerkbar macht ist Säure und so wie sie sich anfühlt macht sie richtig grossen Spass. Im Abgang schmeckt man leicht die weiche reife Frucht und kann sogar die Hefe noch erkennen. Nach einer halben Stunde ist das erste Glas geleert und eines ist so gut wie sicher: Die ‘Warterei’ wird eine Qual, weil das was dieser Wein hier zeigt schon jetzt den Mund unter Wasser setzt und einen ahnen lässt, dass dieses Weinerlebnis ein ganz fantastisches und grosses wird.

15:00 Uhr: Nach sechs Stunden an der Luft wird der Kalmit erneut ins Glas gelassen. In der Nase ist der Weissburgunder nach wie vor verschlossen, gibt aber jetzt ganz leichte fruchtig-mineralische Noten frei. Die Würze ist um Nuancen besser ausgeprägt und es duftet nach wie vor nach Teig und Nüssen. Insgesamt ein wenig frischer. Im Mund fühlt sich der Kalmit unverändert weich und cremig an und es scheint als würde er konzentrierter und noch dichter sein. Er gewinnt eindeutig an Körper und den Abgang begleiten wie schon beim ersten Glas warme, süsslich-herbe Hefearomen mit einem Hauch von Kalk. Der Wein konzentriert sich eindeutig auf die Zunge, der Gaumen spielt die ‘Zweite Geige’. Der ‘Stoff’ beginnt richtig Spass zu machen.

20:00 Uhr: Elf Stunden nach dem Öffnen der Flasche gibt es am Abend das dritte Glas des Kalmits. ‘Geruchstechnisch’ hat sich nicht allzu viel getan. Es ist erstaunlich, dass der Kalmit nach wie vor sehr weich nach Teig und Nüssen duftet. Einzig ein wenig frischer, extrovertierter ist das Bukett geworden. Es wirkt ein wenig straffer und klarer und noch mineralischer. Auf der Zunge wirkt er jetzt noch süsser, noch cremiger und noch voller in der Textur. Der Kalmit beginnt zur richtig reifen Spätlese zu werden und gibt seine Süsse jetzt schon an den Lippen ab. Trotzdem dominiert der Hauch von Teigaromen die supersanft über den Gaumen bis in die Nase hoch ziehen. Es schmeckt jetzt auch mineralischer, in seiner Üppigkeit noch klarer und geradliniger. Kalkig ist sein Nachhall und bittersüss ist er. Die pikante, aber sehr elegante Würze ist der perfekte Gegenpart zur Süsse dieses Weissburgunders. Um 20:30 Uhr ist leider Schluss weil das Glas geleert ist und noch mehr stört, dass ab jetzt bis morgen warten angesagt ist. Das grenzt nach den bis jetzt gemachten Erlebnissen mit dem süssen Kalmit fast an Folter.

Tag 2: Die Vertiefung unserer ‘Beziehung’

12:00 Uhr: Der Vormittag war lang und das Warten auf den Mittagsgong nicht weniger. Doch jetzt war es soweit und nach 27 Stunden kommt der Kalmit zum vierten Mal ins Glas. Aus diesem riecht es zwar noch immer nach Teig, doch ist diese Note jetzt von einer weichen und reifen Burgunderfrucht untermalt. Es riecht frischer als am Vortag, ein wenig kühler und auch pikanter. Insgesamt alles offener und klarer definiert. Auf die Zunge kommt der Kalmit butterweich und cremig, nicht mehr gar so süss wie am Vortag, sondern kompakter, konsolidierter, noch dichter und würziger. Es schmeckt immer mehr nach Boden als nach Frucht und man spürt eine feine Kalkader über den Gaumen ziehen. Der Wein wirkt insgesamt komplexer, mineralischer und extravaganter. Kräftig im Körper, dicht und cremig wie Labello. Nur noch zwei Gläser bis der Tropfen weg ist. Dabei fängt er gerade an ‘aufzutauen’ und zu zeigen was er kann und wie er wirklich ist.

15:00 Uhr: Das vorletzte Glas ist eingeschenkt. Die Aromen von Teig und Nüssen sind jetzt fester in die Würze eingebunden und es duftet noch mineralischer. Es riecht karg im Kelch und würde man nicht schon wissen, dass man eine Spätlese im Glas hat, man würde keine erwarten. Im Mund spürt man den letzten Rest von Süsse jetzt nicht mehr unmittelbar auf der Zungenspitze, sie legt sich jetzt erst in der Mitte wunderbar cremig um diese und bleibt dort in einer herben Würze haften. Von Säure ist nur mehr marginal etwas zu spüren, vielmehr schmeckt man immer mehr den Boden dem der Kalmit entstammt. Am Gaumen bleibt er nussig, voll und dicht. Im Abgang fest und cremig aber trotzdem richtig trocken. Der Kalmit zeigt Herkunft und Charakter, ist im Gegensatz zum Vortag ‘erwachsen’ geworden und entsprechend kräftiger und ausgeprägter.

19:00 Uhr: Das endgültig letzte Glas des Kalmit ist aus der Karaffe und bereit ein letztes Mal ‘aufzuzeigen’. Erstaunlich wie das Bukett sich konstant hält und nicht in einen nichtssagenden ‘Geruch’ abfällt. Es bleibt würzig und weich, mineralisch und leise. Die Teig- und Nussaromen sind ganz weich und warm geworden. Die Zunge spürt deutlich mehr Dichte, es wirkt insgesamt trockener, sehr körperreich und intensiv. Der Kalmit ist weich wie Pudding und trotzdem straff, er versprüht eine lebendige Mineralität im Mund und nimmt die Zunge warm und cremig in Beschlag. Der Kalmit begeistert und der grosse Wermutstropfen ist, dass das letzte Glas in dem Moment geleert ist.

Zusammenfassung

Eines steht fest, der Weisse Burgunder ‘Kalmit’ ist ein höchst interessanter und wandlungsfähiger Tropfen. War er am ersten Tag ein süsser Verführer der mit frischer Spritzigkeit auf die Zunge trifft und den Gaumen mild und cremig verwöhnt, so zeigt sich der Kalmit am zweiten Tag verhaltener, trockener und dichter. Die Würze ist ausgeprägter, die Mineralität ist in den Vordergrund getreten und bei aller Expressivität bleibt er weich und rund und cremig. Er wirkt ein wenig herber im Abgang, kalkiger und weniger opulent. Insgesamt eine Spätlese von der man, so man beide Gesichter von ihr kennenlernen will, unbedingt zwei Flaschen öffen sollte. Eine zu Mittag um am Abend süssen Spass zu haben und die andere für den nächsten Abend. Ich bin sogar sicher, dass dieser Tropfen auch nach zwei unberührten Tagen faszinierende Überraschungen bereit hält.

Mein persönliches Fazit ist: In den Kalmit habe ich mich verliebt. Er hat etwas Geheimnisvolles, Forderndes, ja sogar Erotisches durch seine frische Süsse zu Beginn und seine Mineralik am nächsten Tag. Dieses Warten auf das nächste Glas hält die Spannung hoch und man freut sich auf ihn wie man sich auf das Wiedersehen mit seiner Liebsten freut. Genuss in Raten kann man dazu sagen. Was süss beginnt wird hocharomatisch, was zuerst auf der Zunge kitzelt wird am Ende weich wie Butter. Was neugierig beginnt, endet in der Sehnsucht nach einer Zugabe.

Euro 15,50 ab Hof ist für diesen Wein fast Sozialtarif. Das Risiko das Sven Leiner aufgrund der eingangs erwähnten Produktionsform eingeht kann grösser nicht sein. Das Ergebnis zu diesem Preis unters Volk zu bringen sollte deshalb entsprechend belohnt sein. Um so wenig Geld soviel Herkunft und Charkater in die Flasche zu bekommen sollte Grund genug sein, den Weissburgunder Kalmit kennenlernen zu wollen und ich wage zu behaupten: “Sie werden ihn ganz einfach mögen.”

Verkostet wurde ein Weisser Burgunder ‘Kalmit’ 2009 von Sven Leiner aus Ilbesheim in der Pfalz, Deutschland.

Wollen Sie mehr über diesen Wein wissen? Hier stehen die wichtigsten Informationen über den Weisser Burgunder ‘Kalmit’ 2009 für Sie zum Download bereit. Oder besuchen Sie Sven Leiner einfach zu Hause.

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Kategorie: Sven Leiner (D), Verkostet