Weingenuss für Dummies

| 22. August 2011 Alles lesen

Heute veröffentlichen wir den zweiten Gastbeitrag unserer vierteiligen Serie. Auch diesmal wird unser Gastautor Huub Dykhuizen wieder eine knifflige Frage bewantworten. In diesem Fall geht es um

Weingenuss für Dummies – Man muss kein Weinexperte sein um Wein geniessen zu können

Daraus ergaben sich drei weitere folgenschwere Fragen:

• Was ist für unkomplizierten und erfreulichen Weingenuss unbedingt nötig?
• Wie kann auch der grösste Laie guten von schlechtem Wein unterscheiden?
• Wie kann man zumindest seine sensorischen Basisfähigkeiten schulen?

Die überaus erfolgreiche Buchreihe für Dummies ist wahrscheinlich jedem bekannt, aber wer sind bitte die angesprochnen Dummies? Diejenigen, die über wenig Weinwissen verfügen? Oder doch diejenigen, die Ratschläge für vermeintliche Dummies schreiben, Weinseminare anbieten und/oder mit Weinberatung und -verkauf ihr Geld verdienen? Die Beantwortung dieser Fragen möchte ich am liebsten jedem selbst überlassen. Aber da mich Leo bat einen Gastartikel zu genau diesem Thema zu schreiben, bleibt die Suche nach den passenden Antworten wohl oder übel an mir hängen.

Was ist für unkomplizierten und erfreulichen Weingenuss unbedingt nötig?

Es klingt banal: Ohne Wein – kein Weingenuss. Dazu noch einen Korkenzieher – wenn der Wein nicht im Karton oder mit einem Drehverschluss versehen ist und gegebenenfalls auch noch ein Glas oder zwei Gläser, falls Du in Gesellschaft, und nicht direkt aus der Flasche oder dem Getränkekarton trinken möchtest. Damit wäre die Frage bereits kurz, knackig, pragmatisch und überaus präzise beantwortet. Weingenuss direkt aus der Flasche oder dem Tetrapak? Kann das wirklich ernst gemeint sein?

Lasse mich dazu eine Gegenfrage stellen: Trinkt ein Mensch, der Wein direkt aus der Flasche trinkt, ohne Genuss? 
Meines Erachtens trinkt er zumindest unkompliziert und wahrscheinlich ebenfalls mit Genuss. Aber erneut gefragt: Ist das wirklich mit dem allgemeinen Verständnis von Genuss zu vereinbaren? Und ich antworte erneut mit einer Gegenfrage: Wer bestimmt, ab welchem Moment genussvoll Wein getrunken wird?

Für mich ist der wahre Weinkenner der Mensch, der seinen Weingeschmack kennt und ohne großes Gehabe seinen Wein genießen kann – also ganz provokant gesagt: Trinke Wein doch einmal unkompliziert, und ohne lange Nachzudenken. Flasche auf und einfach nur genießen! Und so entbehren meine scheinbar ach so banalen Antworten und Gegenfragen nicht dem wahren Kern. Genuss ist, wenn der Mensch genießt. Unabhängig von der Meinung und den Vorstellungen anderer. Und sollte es immer sein!

Wie kann auch der größte Laie guten von schlechtem Wein unterscheiden?

Wann ist ein Wein gut und wann ist ein Wein schlecht? Ist es eine Frage des Preises, des Anbaugebietes, des Zuckergehaltes oder wie oder was? Viele Menschen geben nahezu gebetsmühlenartig vor, dass sie keine Ahnung vom Wein haben. Die gleichen Menschen kaufen ihr Bier oder ihre andere Getränke, ohne vorzugeben davon keine Ahnung zu haben. Warum ist das nur beim Wein so? Warum wird Wein nicht ebenso unkompliziert gekauft? Schon wieder stelle ich scheinbar mehr Fragen, als Antworten zu geben. Aber genau diese Fragen weisen Dir den Weg.

Guter Wein muss nicht zwangläufig eine Frage des Preises sein, der Süßegrad des Weins und das Anbaugebiet spielen ebenfalls keine Rolle in Bezug auf Qualität. Meines Erachtens sind gute Weine schon ab 5 Euro zu erhalten, egal ob trocken süß, aus Europa oder Übersee. Weine, die hingegen nur 1,50 Euro oder weniger kosten, können niemals wirklich gute Weine sein – und ich denke, dass ist jedem klar. Der Aufwand, der für Wein betrieben werden muss, lässt für solch einen Preis niemals einen guten Wein zu.

Leider lässt sich die Frage nach gutem oder schlechtem Wein nicht verallgemeinert beantworten. Ich bin mir bewusst, dass einige Fragezeichen vorhanden bleiben und dass sich so mancher nun fragt, wieso ich die Frage nicht eindeutiger beantworte. Ich kann es nicht, das ist meine ehrliche Antwort. Letztendlich entscheidet immer der eigene Geschmack, ob Dir ein Wein gut oder schlecht schmeckt.

Probieren geht über Studieren und daher empfehle ich jedem Weinkäufer: Gehe ohne Scheu in den Weinfachhandel, lasse Dich beraten und wenn es möglich ist, probiere die Weine vor Ort. Viele Händler bieten diesen Service an. Und sie bieten ihn gerne an, sie haben schließlich ein großes Interesse daran zufriedene Kunden zu gewinnen. Versuche das einmal bei Deinem Bierhändler, der wird Dir sein Bier in aller Regel nicht zum Probieren anbieten.

Wie kann man zumindest seine sensorischen Basisfähigkeiten schulen?

Kaum ein Getränk bietet so viele Geschmackserlebnisse und eine Aromavielfalt wie der Wein. Interessanterweise wirst Du ein Aroma im Wein niemals finden: Das Aroma von Weintrauben. Stattdessen erwarten Dich Früchte, Blumen, Kräuter, Röstaromen und vieles mehr. Natürlich riecht und schmeckt nicht jeder Mensch gleich gut. Und wenn ich mir so manche Verkostungsnotizen anschaue, zweifle ich oftmals am Wahrheitsgehalt des Gelesenen. Da gibt es die blumigsten Umschreibungen, wie: „Dieser Wein erinnert mich an eine spätpubertierende Frühlingswiese in der walisischen Bretagne. Ich rieche den leichten Hauch eines vorbeitrabenden Pferdes. Moment, noch einmal riechen – ja, es ist ein schwarzer Schimmel um genau zu sein, der in diesem Augenblick zart äpfelt. Das ist typisch für Weine dieses Hauses …“

Solche und ähnliche Vergleiche sind weitaus häufiger an der Tagesordnung als Du im ersten Moment glauben magst, auch wenn mein obiges Beispiel noch sehr dezent ausfiel. Die Worte zur Beschreibung des Aromas können zuweilen äußerst skurrile Züge annehmen. Weinduft und blumige Worte liegen dicht beieinander. Wahrheit und Dichtung in der Weinbeschreibung sind wie beim Anglerlatein manchmal unzertrennlich. Das ist normal – Wein ist ein sehr verwandlungsfähiges Getränk und kann uns durch stets neue Gerüche bzw. Aromen verblüffen. Wenn Dir jemand sagt: „Der Wein riecht nach grünem Klee“, aber Du glaubst, er riecht nach Wein, habt ihr wahrscheinlich beide recht! Grundsätzlich riecht Riesling nach Riesling und Chardonnay nach Chardonnay!

Assoziationen lassen uns den Wein “erleben”

Alles andere sind Assoziationen – und genau diese Assoziationen machen die Freude des Weingenusses aus! Profis können tatsächlich sehr viele Düfte im Wein entdecken und identifizieren. Zum großen Teil ist es jahrelange Übung oder ein gewisses Talent, das in die Wiege gelegt wurde. Gerüche rufen die unterschiedlichsten Erinnerungen wach, die wir nicht immer exakt beschreiben können. Aber was heißt schon exakt? Wichtiger ist es, die eigene Nase zu schulen. Probiere doch einmal aus wie viel Spaß es macht, Deine Nase wie ein Kind mal wieder in einen Obst- oder Gemüsestand zu vergraben und die Welt mit der Nase zu entdecken. Viele Aromaebenen können ergründet werden, die von der Rebsorte, dem Boden, dem Klima, der individuellen Weinbereitung und anderen Faktoren abhängig sind. Für viele Menschen ist es schwierig, das gerochene Aroma zu benennen. Am einfachsten ist es, seine eigenen Empfindungen mit Gerüchen aus der Natur zu vergleichen.

Es gibt keinen allgemein anerkannten Standard, wie z. B. eine Frucht zu riechen hat. Jeder Mensch hat ein anderes Wahrnehmungsvermögen und kann sich immer nur an eigenen Geruchserinnerungen orientieren. Für manche muss ein grüner Apfel wie ein Boskop, oder ein Finkenwerder Pfannkuchen riechen, für andere wie Apfelringe aus einer Fruchtgummitüte. Letztendlich hat jeder Mensch andere Assoziationen und verbindet diese mit den Weinaromen. Anderen Menschen fällt es hingegen schwerer einzelne Früchte oder Blumen aus dem Wein heraus zu riechen. Das ist nicht weiter schlimm, am einfachsten ist es, sich an Aromengruppen zu orientieren und diese mit den Aromen des Weins in Einklang zu bringen.

In Gruppen lassen sich Weinaromen am einfachsten benennen. Beim Riechen und Schmecken ist es ratsam, die unterschiedlichen Aromen nicht direkt bis ins kleinste Detail erschnuppern zu wollen. Weinbeginner sollten die Geruchsempfindungen zunächst in Obergruppen einordnen. Riecht der Wein fruchtig, würzig, blumig oder pflanzlich? Es genügt zunächst, die eigenen Eindrücke mit Aromengruppen zu bestimmen. Diese Gruppen zu erkennen, dürfte vielen leichter fallen und ermöglichen erste schnelle Erfolgserlebnisse. Apropos Gruppen: Mehrere Nasen riechen meist mehr als eine Nase. Und wenn Dir jemand aus einer Gruppe sagt, welches Aroma er erschnuppert haben will, ist es oftmals einfacher dieses Aroma ebenfalls zu riechen. Manchmal müssen wir halt sozusagen erst mit der Nase auf ein Aroma gestoßen werden, um es zu erkennen. Und wie bei so vielen Dingen des Lebens gilt: Probieren geht über Studieren – und bei Wein probieren wir doch sicher alle gern, oder?

Der Autor:

Huub Dykhuizen bezeichnet sich selbst als puren Weinamateur und nicht als Weinkenner oder Weinexperten. Seine vergnüglichen und fundierten Gedanken entstehen im wahrsten Sinne des Wortes Amateur: aus seiner Liebe zum Wein.

Mit mehr als zwanzig Jahren Erfahrung ist es ihm stets ein großes Anliegen das Thema Wein zu entmystifizieren und jedem die Freude am Wein mit einfachen Worten und ohne Pathos in seinen Weinbüchern und auf seinem Blog näher zu bringen.

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Kategorie: WeinLounge