Chardonnay ‘Hohenegg’ 2008
Vom biologisch-dynamischen Weingut Tauss aus Leutschach in der Steiermark kommt der zweite Wein dieser Verkostungsrunde. Wie der Rote Traminer ‘Hohenegg’ stammt auch der Chardonnay ‘Hohenegg’ 2008 von den kargen Opokböden, welche die teilweise bis zu 50%igen Hanglagen durchziehen. 2008 wurde aufwändig von Hand gelesen, danach spontan in kleinen Holzfässern vergoren und gelagert und im September 2010 in Flaschen abgefüllt. 2013 steht er nun bei uns am Tisch der Wahrheit und nach dem zu urteilen was wir bis jetzt vom Weingut Tauss kennengelernt haben, sollte auch der Chardonnay Hohenegg eine Offenbarung werden. Auch diesen Wein werden wir wieder über zwei Tage verkosten, um ihn eingehend zu erforschen.
Konsequent dem Corporate Design folgend klebt auch auf dieser braungrünen Burgunderflasche das Wärme versprühende, crémefarbige Etikett mit der schönen stilisierten Hügellandschaft. Chardonnay Hohenegg steht drunter und am oberen weinroten Rand ist wieder das mit der stilisierten Sonne versehene Logo des Weingut TAUSS eingearbeitet. In der Mitte wieder die Landschaft in ocker aufgedruckt, mit ihren sanften Hügeln inklusive einer extra betonten steilen Weinberglage. Am hinteren Etikett erfährt man noch ein wenig über die Opokböden und auch ein Tipp für die richtige Trinktemperatur, sowie eine Dekantierempfehlung ist angeführt.
Die Burgunderkelche sind poliert, doch bevor wir den Chardonnay Hohenegg antrinken darf er für eine Stunde im Dekanter seine Runden drehen. Nicht nur um Sauerstoff zu tanken, sondern auch um seine empfohlene Trinktemperatur zu erreichen.
Pure Erde, sehr verhalten
Goldgelb, mit einem Stich ins Rotgold gehende, zeigt sich der Hohenegg klar und rein im grossen Kelch. Dick fliesst ein Film an der Glaswand ab. Im Duft ist der Wein nach knappen neunzig Minuten noch immer relativ verhalten. Am ehesten riecht man noch ein wenig Nuss heraus, der Rest ist pure Erde. Sand, Lehm, warm und weich. Etwas Hefe zeigt sich, sonst nichts. Vielleicht noch eine feine Würze, das war´s dann aber auch schon mit ‘Duft’. Verglichen mit einem britischen Sir, würde dieser glatt als exaltiert durchgehen, so sehr verhalten ist der Hohenegg. In einer halben Stunde könnte alles schon anders riechen, ganz sicher. Darauf warten? Nein. Was so puristisch in die Nase kommt will auch im Mund erlebt werden. Deswegen wird erst nachher ‘nachgeschnüffelt’.
Saftig-salzig, schaurig-schön
Überraschend agil, unerwartet frisch und mit relativ straffer Säure kommt der Hohenegg ausgesprochen weich und saftig auf die Zunge. Trocken wie ein Staubtuch, dennoch gewissermassen rassig streift er über die Lippen und legt sich druckvoll auf die Zunge. Teigig, nussig und vor allem mit einem Lastwagen voll Erde und sonstigem Geröll beladen. Dazwischen gräbt sich eine grüne Würze durch, die dem Ganzen einen frechen Touch verleiht. Auf den Lippen legt sich ein ausgeprägter Salzfilm an. Man spürt die Kraft die dieser Tropfen in sich trägt, spürt das Volumen und ist positiv angetan von seiner Frische. Die Zungenspitze mag es wenn sie vom Salz ‘gestochen’ wird, wenn sie sich förmlich einrollt in dem pulsierenden Saft und ihn weich und rund abfliessen spürt. Am Gaumen zieht der Muldenkipper vorüber, verliert einen Grossteil seiner erdigen und steinigen Ladung und quetscht im Abgang einen Rest von Nussaroma aus sich raus. Während man zum Trinken ansetzt und den Wein zum Mund führt, spürt man wie einem Teigaromen die Nase hochsteigen. Insgesamt zeigt sich das erste Glas in einer Puristik, die mehr als beeindruckend ist. Was bereits nach nur dreissig weiteren Minuten an der Luft auffällt ist, dass der Hohenegg einerseits saftiger, konzentrierter, aber auch immer ‘erdiger’ wird. Am Abend gibt es dann den zweiten grossen Becher.
Freche Säure, frische Salzigkeit
Nach neun Stunden an der Luft wird das zweite Glas vom Hohenegg verkostet. Im Duft nach wie vor recht leise, grünwürzig und erdig. Eine Spur teigiger und auch nussiger geworden, aber doch sehr still im Becher. Im Mund dafür intensiver geworden, noch salziger, noch frecher. Vom Gefühl her wie ein Stück Softgummi aus dem plötzlich eine frische, süss-saure Fülle heraus quillt und sich sofort verflüssigt um die Zunge darin einzuhüllen. Keck, rassig, pulsierend. Der Rest ist die Essenz vom Nussbaum und der Erde auf der er steht. Sogar am Gaumen spürt man die nervige Säure arbeiten bevor sich alles in ein weiches, warmes Gefühl verwandelt. So leise der Hohenegg im Duft ist, so extrovertiert ist er im Mund. Dort macht sich pure Mineralität breit und was an Nuss und Teig vorhanden ist, ist kräftig ausgeprägt. Eingeläutet, begleitet und verabschiedet wird das Ganze von und mit einer lebendigen, sehr aktiven, quasi frechen Säure. Die Spitze aber ist die extreme Salzigkeit mit welcher sich der Hohenegg der Zunge annimmt und wie lange diese auf ihr nachwirkt. Lang im Nachhall ist der Wein und doch bleibt genau diese Salzigkeit am längsten auf der Zungenspitze und am Zungengrund haften. Erst wenn sie nachlässt spürt man den Kalk, die Erde und den rauchig-warmen Film der sanft über sie wegzieht. Man spürt einen kalkigen Gaumen und fühlt dem Wein noch lange auf der Zunge hinterher. Dabei merkt man wie der Speichelfluss angeregt wird und man einen wässrigen Mund bekommt. Morgen wird der Rest verkostet.
Neuer Tag, neuer Wein
Am zweiten Tag, nach knappen 24 Stunden in der Karaffe, ist es vollkommen ruhig im Glas geworden. Ein wenig Nuss ist noch da, ein wenig Teig und ganz viel Erde. Keine Würze mehr zu riechen und zu spüren. Alles ruht in sich. Auch im Mund zeigt sich ein weitgehend veränderter Wein. Die Salzigkeit ist fast verschwunden, nur noch flüchtig neckt ein letzter Rest die Zungenspitze und insgesamt ist der Hohenegg jetzt richtig nussig geworden. Das ist das Einzige was übrig geblieben ist in einem Berg von Mineralik, welche schwer beeindruckt. Es ist noch dichter geworden, noch erdiger, noch ausgeprägter. Knochentrocken spürt man dieses lehmige Gefühl jetzt auch auf den Lippen und am Gaumen. Die gestern so freche Säure hat sich eingekapselt und blinzelt nur noch ganz schwach hervor. Der Wein ist weicher, runder, wärmer geworden. Er ist jetzt in Höchstform, ohne Zweifel. Nuss und Mineralität in trauter Zweisamkeit vereint. Dabei sanft und irgendwie auch schlanker in der Wahrnehmung geworden. Weniger Saft, weniger Würze, weniger Salz, mehr Kalk, mehr Erde, mehr Persönlichkeit.
Im Nachhinein betrachtet zeigt sich der Hohenegg mit zwei Gesichtern. Am ersten Tag ein frecher Geselle der mit seiner salzigen Mineralik neckt und einen fordert, am anderen ein ruhiger, zurückgezogener und ausgesprochen bodenständiger, entschleunigter Wein. Zeigt er sich am ersten Tag von seiner spassigen Seite, so ist er am zweiten wie ausgewechselt und präsentiert sich ruhig und erhaben. Es ist Geschmackssache was man mehr bevorzugt und je nachdem wofür man sich entscheidet, sollte man die Dekantierzeit dafür wählen. So sehr er mir persönlich am ersten Tag frisch und frech die Zeit vertrieben hat, so sehr mag ich diesen Tropfen am zweiten Tag. Da ist er zum Meditationswein geworden, zum ruhigen Begleiter, zum Kumpan durch den Tag oder auch den Abend. Da ist er Wein zum Füsse auf den Tisch legen, sich entspannt zurück zu lehnen und so richtig Erde unter seinen Füssen zu spüren.
Tipp: Drei Stunden im Dekanter sollte man ihm gönnen. Dann am besten bei 12-14º geniessen. Geht locker über zwei und mehr Tage und zeigt dabei alle Facetten. Geduldige trinken ihn am zweiten an und erleben Boden pur. Wein zum intensiven Genuss.
Verkostet wurde ein Chardonnay ‘Hohenegg’ 2008 vom Biologisch-dynamischen und Demeter-zertifizierten Weingut Tauss aus Leutschach in der Steiermark, Österreich. Das Weingut Tauss ist Mitglied der Wertegemeinschaft Schmecke das Leben.
Kategorie: Schmecke das Leben (A), Verkostet