Heidsieck Brut Reserve
Piper-Heidsieck gehört zu den ältesten Champagnerhäusern Frankreichs. Keine Geringere als Marie Antoinette war die erste “Markenbotschafterin” für das 1785 gegründete Haus “Heidsieck & Cie.”. 1815 schlossen sich Christian Heidsieck (Neffe des Gründers Florens-Louis) und Henri-Guillaume Piper dem Unternehmen an und bescherten ihm einen Ruhm, der weit über die Grenzen Frankreichs hinaus ging. In den 1950er Jahren waren die Champagner von Piper-Heidsieck Lieblinge der Hollywood-Stars, allen voran Marilyn Monroe. 1985 feierte das Haus sein 200-jähriges Bestehen und seit 1993 ist man offizieller Ausstatter der Filmfestspiele in Cannes. Geschichte, die man nicht erfinden kann. Beide Häuser (Piper-Heidsieck und Charles Heidsieck) haben heute den selben Besitzer, werden aber komplett eigenständig geführt. Heute steht ein Champagner von Charles Heidsick auf dem Tisch der Wahrheit, der Brut Reserve, der nicht weniger als ebenso den Anspruch erhebt, zum Besten zu gehören was man so im Becher haben kann. Ob er diesem auch gerecht wird, davon werde ich mich jetzt gleich überzeugen.
Grüsse aus der Bäckerei
Gelb wie Stroh sprudelt der Brut Reserve vor sich hin im Glas. Brot, Brioche und Aprikosen duften einem augenblicklich entgegen, etwas Apfel macht sich im Hintergrund bemerkbar. Man riecht, dass dieser Sprudel sich eine Weile auf der Hefe herumgetrieben hat. Kalkig ist der Nebel der sich über allem ausbreitet, Mandarine unterfüttert diesen feinen Duft, der sich unweigerlich in der Nase festsetzt. Riecht gut, tut gut, fühlt sich gut im Riechorgan an.
Willkommen im Zirkus
Grosse Überraschung dann im Mund. Weich und cremig fliesst der Brut Reserve auf die Zunge, entlädt dort edle Tropfenfrucht. Ein wenig Ananas, ein wenig Mango, hinten raus ein wenig Karamell. Zarte Süsse nimmt man wahr, und dann schiesst eine Säurespur von hinten vor und sorgt für richtig Zirkus in der Luke. Was für ein Theater. Frisch, frech und knackig rollt der Sprudel an der Zunge ab. Hätte man nach dem Geruch geurteilt, wäre man spätestens jetzt am völlig falschen Dampfer. Brioche zeigt sich nur verhalten, weit im Hintergrund, von Brot und Hefe merkt man nicht mehr wirklich etwas. Hier herrscht Spass und Lebensfreude und die feine Cremigkeit macht diesen Blubber richtig sexy.
Das Champagner-Chamäleon
Ein WOW ist wohl das Mindeste, was einem nach dem ersten Schluck über die Lippen kommen sollte. Langsam schmeckt man Mandarinen, das Säurespiel des Brut Reserve ist ein eigenes Kapitel. Immer mehr wird dieser Sprudel fruchtig, schmiegt sich weich und sanft im Mund an und schafft es trotzdem knackig frisch und lebhaft zu bleiben. Bisquit zeigt leise auf, schleppt einen Apfel hinterher. Wo ist die Hefe die man sich erwartet hätte? Abgemeldet. Hier regiert die süsse Frucht, die sich in einem traumhaft flotten Säurekleid versteckt hat. Wenn weich UND straff auf einmal geht, dann ist das hier ein Paradebeispiel wie man sowas hinbekommt. Unglaublich, was dieser Sprudel auf der Zunge und am Gaumen abhält. Grosses Kino, riesengrosser Spass!
Gibt man dem Brut Reserve etwas Zeit im Glas, verwandelt er sich nach und nach in einen äusserst trockenen Sprudel. Der Kalk kommt durch, am Gaumen wird es ganz zart stoffig, die Süsse schwindet und es bleibt ein von feiner Frucht durchzogener, am Ende trockener Champagner übrig. Mineralik übernimmt die Führungsarbeit und gibt sie nicht mehr aus der Hand. Ein durch und durch finessenreicher wie auch lebendiger, aktiver Sprudel, der sich in einem etwas grösserem Glas am besten präsentiert. Seine Wandlung von einem anfangs süssen, weichen, cremigen, von Frucht dominiertem Wein hin zu einem stoffig-trockenen, höchst mineralischem Tropfen ist alleine schon beachtenswert. Sein Genuss setzt allem dann die Krone auf. Schampus der Lust auf mehr macht.
Tipp: Etwas grösseres Glas nehmen, mit ca. 10º geniessen. Zu Krustentieren und Meeresfrüchten perfekt. Besser noch ganz ohne alles. Da macht er richtig Spass.
Verkostet wurde ein Heidsieck Brut Reserve von Charles Heidsieck. Bezugsquelle: Kracher Fine Wine Shop, Illmitz.
Kategorie: Kracher (A), Verkostet