Les Bruyères 2012
Im Jahr 2011 hatte ich das erste Mal Kontakt mit den Weinen von Stéphane Tissot aus Montigny-les-Arsures im französischen Jura. Es war ein La Mailloche 2006. Über die Jahre hinweg habe ich dann mehr und mehr Weine von ihm kennen und schätzen gelernt. Hier gibt es eine Übersicht über jene Weine die ich bereits von ihm verkostet habe. Heute bin ich Fan seiner aussergewöhnlichen flüssigen Schätze und habe das Vergnügen, eine kleine Verkostungsreihe mit ausgewählten Weinen durchzuführen. Sechs davon habe ich hier und den Beginn macht der Les Bruyères 2012, ein sortenreiner Chardonnay. Handgelesen und spontan vergoren selbstverständlich. Keine 6000 Flaschen gibt es davon und die eine die hier am Tisch der Wahrheit steht, wird jetzt aufgemacht.
In der Sachsenkeule á la Tissot ist auch der Les Bruyères abgefüllt. Am Hals ist JURA hochgeprägt was gleich einmal die Herkunft dieses Weines erkennen lässt. Wie gewohnt klebt das typische Tissot-Etikett auf der Flasche. Vanillegelb mit dem Namen des Weines in schwarzen Grossbuchstaben oben. LES BRUYÈRES, gold unterstichen und der Jahrgang hochgestellt darunter. Das Hauptmotiv ist die bekannte Weinpresse in ganz hellem grau, nur sehr schwach wahrnehmbar. Ganz unten Bénédicte & Stéphane Tissot wieder in schwarz. Am Rückenetikett springt einem als erstes die Herkunft gross entgegen; Arbois. Zusätzlich erfährt man ein wenig über die Lage und den Boden (tonige Erden und blauer Mergel) auf dem der Wein heran wächst. Ergänzt wird alles von den beiden Gütesiegeln von BIODYVIN und AB (Agriculture Biologique). Abgerundet wird das Erscheinungsbild von einer knallig gelben Halsmanschette. Bevor der Les Bruyéres aber ins Glas kommt und angetrunken wird, darf er für eine Stunde in der Karaffe etwas Luft aufnehmen.
Salzig, steinig & leicht grünlich
In mittlerem strohgelb steht der Les Bruyères im Glas. Zarter grüner Schimmer flimmert mit. Auf den ersten Riecher sofort erkennbar, dass hier ein Jurawein von Stéphane Tissot im Glas ist. Leicht hefig, ausgesprochen grünwürzig. Liebt man oder hasst man. Viel Kalk und Ton in der Nase, frisch aufgeschnittene Grapefruit und jede Menge Heidekraut. Ich könnte mich eingraben in diese Duftstilistik. Salzigsaure Mineralik in Kombination mit einer grünen Kräutrigkeit strömt einem entgegen und sorgt für einen angenehmen Schauer in den Nasenflügeln.
Grapefruit. Gesalzen, nicht gezuckert
Und da ist er wieder. Der unverkennbare Geschmack, das unverkennbare Gefühl im Mund. Anarchie auf der Zunge und am Gaumen. Extrem salzig strömt der Les Bruyères auf die Zunge und legt sich auch sofort am Gaumen an. Schon nach zwei Sekunden hat man sich entschieden das zu mögen oder es für immer zu lassen. Ich liebe es. Gesalzene Grapefruit auf frisch gemähtem Wiesengras. Besprüht mit Kalk und Ton und eingehüllt von einer Wolke weissen Staubes. Auf der Zunge spürt man wie sich die agile Säure ausbreitet, wie das Salz auf ihr arbeitet. Nichts geht verloren, alles bleibt lange in der Mitte stehen und sorgt für einen intensiven Schauer der einen einfach nicht mehr los lässt. Über den Gaumen zieht sich eine warme Hefespur die erst so richtig im Abgang aufdreht und alles grüne Kraut und auch die Grapefruit mitreisst. Ein Erlebnis aus einer völlig anderen Weinwelt. Fernab von jeglicher bekannter Chardonnay-Stilistik.
Eigenwillig, eigenständig, unverwechselbar
Je mehr Sauerstoff der Les Bruyères aufnimmt, umso kalkiger wird er. Immer mehr arbeitet sich der Boden durch und wird zum Dominator. Was bleibt ist die salzige Note. Es ist unglaublich wie intensiv dieses Gemisch aus Salz und Grapefruit im Mund agiert. Weisse Blütenaromen stossen dazu, Ringelblume, Heu und Heidekraut. Dabei ist er würzig auf eine ganz eigene Art, nicht braun, nicht wirklich grün. Der Wein verwirrt weil er so eigen ist und weil er immer mehr für Nachschub aus der Bäckerei in Form von zarten Brotaromen sorgt. Auf der Zunge ein wenig weniger intensiv was Salz und Säure angeht, dafür konzentrierter und runder. Und vor allem mineralischer. Im Abgang ein milder Wein, der einen mit einem leichten, wohlschmeckenen Grünstich am Gaumen zurück lässt. Was aber in Wirklichkeit nichts anderes als die frische gelbe Grapefruit im Salzmantel ist.
Im Mund tobt nach drei Stunden nicht mehr der heftige Salzsturm, es fühlt sich jetzt versammelt an, jedes Aroma hat seinen Platz gefunden, man konzertiert gemeinsam. Erst jetzt zeigt sich wie extrem mineralisch der Les Bruyères ist und wie wunderbar die Frucht in diesem Orchester mitspielt. Seine Lebhaftigkeit ist unverändert fröhlich, nur ist sie jetzt noch feiner, noch geschliffener, noch fokussierter geworden. Die Zunge schafft es fast sich selbst abzulecken, den letzten Tropfen aus der Grapefruit heraus zu holen, der Gaumen spürt einen Hauch von fruchtiger Bitterkeit und am Ende will man ihn erst gar nicht schlucken, weil er so intensiv mit der Zunge und ihren Gefühlen spielt. Das Problem ist nur, dass sich, hat man sich erst angefreundet und sich auf diese Stilistik eingestellt, eine Trinkgeschwindigkeit entwickelt die gnadenlos ist. Man bekommt einfach nicht mehr genug von diesem Teufelszeug. Was mich persönlich fasziniert an den Weinen von Stéphane Tissot ist ihre Unverwechselbarkeit, ihre Eigenwilligkeit und Eigenständigkeit. Kein Platz für Kompromisse. Ja oder Nein. Und eines weiss ich jetzt schon: Dass aus der Flasche die jetzt noch mindestens zehn Stunden offen stehen bleibt, ein völlig anderer Wein kommen wird als der, den ich jetzt gerade im Glas habe. Ich freue mich drauf.
Tipp: Kosten Sie nach einer Stunde, aber geben Sie ihm zwei in der Karaffe. Um die 12º am besten, nicht zu kalt geniessen. Zu Fisch, Krustengetier, Jakobsmuscheln und weissem Fleisch der totale Bringer. Sind Sie abenteuerlustig, dann geniessen Sie den Wein als Solotänzer und tauchen Sie in eine völlig entrückte Weinwelt ein.
Verkostet wurde ein Les Bruyères 2012 von Stéphane Tissot aus Montigny-les-Arsures im französischen Jura.
Kategorie: Stéphane Tissot (F), Verkostet