Porcone 2010 Butcher’s Reserve
Vor mehr als einem Jahr habe ich hier eine Riesen-Sauerei mit den Schweinen Weinen von Marco Giovanni Zanetti veranstaltet. (Hier nachzulesen) Was da im Wildschweingehege abging war schon grosses Kino. Heute habe ich das Vergnügen eine weitere Sau aus Marcos Wildschweinherde kennenzulernen, den Porcone 2010 Butcher’s Reserve Veneto Rosso IGT, so der komplette Name des Oberebers. Dabei handelt es sich um eine Cuvée aus Carmenère, Marzemino und Merlot. Was für eine Mischung, vor allem weil Carmenère hierzulande so gut wie nicht vorhanden ist. In welchem Stall züchtet der Winepunk diese Sorte nur? 30 Monate im gebrauchten 600l-Tonneau ausgebaut und auf 3333 Flaschen limitiert ist der Porcone. Meine hat die Nummer 2469. Und weil ich bereits weiss wie sich die Schweine aus dem Haus Zanetti aufführen, werfe ich mir für die Obersau ein dickes fettes Steak in die Pfanne. Auf dass es blutig auf den Teller komme um dem Butcher zur Ehre zu gereichen. Vorher aber kommt die Sau für eine Stunde ins Gehege um sich ein wenig auszutoben.
Beeren, Cumin, Zimt und Unterholz
In tiefdunklem Violett mit einem leicht bläulichen Einschlag steht der Porcone im Glas. Die Carmenère lässt grüssen. Ausgesprochen beerig wie auch würzig strömt der Duft die Nasenflügel hoch. Waldbeeren, schwarze Johannisbeeren sowie etwas Cumin, Zimt und Unterholz vermengen sich zu einer aufregenden, leicht orientalisch anmutenden Kombination. Überraschend ist die Frische die aus dem Glas strömt, man hätte etwas Schwereres erwartet. Doch keine Spur davon, es scheint, als würde auch diese Sau aus dem Zanetti’schen Gehege mit lebhafter Säure gemästet worden sein. Das war schon beim Porcheria so und ich bin überzeugt, das ist beim Porcone nicht viel anders.
Gerbstoff mit K geschrieben
Ja leck! Das erste was einem einfällt wenn der Porcone in den Mund kommt. Das sind keine Gerbstoffe, das sind Kerbstoffe die augenblicklich das Kommando übernehmen. Und dann kommt der Pfeffer. Dann lange nichts und dann schwarze wilde Beeren die unterm Holz im Wald wachsen. Und dann wieder TANNINE. Als hätte man den ganzen Pelz der wilden Sau im Mund. Wie schön, wie geil, wie rasant. Rasant? Ja, weil da zur allgemeinen Überraschung null Hitze drin ist in dem Tropfen, der ist kühl, der ist frisch wie die Gischt vom Wildbach. Auf der Zunge leicht, am Gaumen muskulös und druckvoll, mit Gerbstoffen die wie feiner Sand abrieseln. In seiner gnadenlosen Trockenheit zischt der Wein derartig schnell, dass man sich schwer am Riemen reissen muss um nicht die Bodenhaftung zu verlieren. Der Abgang erdig-würzig, etwas orientalisch angehaucht, der Nachhall kraftvoll, fleischig und tanninbetont.
Temperament wie’n Duracell-Kanninchen
Wer Angst vor Gerbstoffen hat sollte besser Baileys trinken. Oder Eierlikör. Wer aber gerne einen Strauss mit Weinen ausficht, der hat mit der Sau vom Butcher das grosse Los gezogen. Ich empfehle sogar ihn unmittelbar nach dem Öffnen anzutrinken, auch wenn es richtig weh tut, um ihn dann dabei zu verfolgen wie er immer fleischiger wird. Das ist Mund-Wrestling. Auf der Zunge wird der Porcone immer erdiger aber auch saftiger, immer würziger, was an Frucht vorhanden ist hat sich hinter dem Pfeffer anzustellen. Danach kommt viel Geäst, trockene Erde und eine, wie erwartet, ausgeprägte Säureader die für enorme Frische sorgt. Am Gaumen aber herrscht eine Dürre wie man sie sonst nur aus der Sahelzone kennt; mit jeder Menge Flugsand, knusprig, fein und animierend. Erst wenn der Sand verweht ist tauchen neckische Cassisaromen auf, sorgen für einen leicht sauersaftig-schwarzen Kick im Mund und unterfüttern alles mit einer frechen Fruchtspur. Danach kommt das Verlangen nach dem nächsten Maul voll Wein, der in der Zwischenzeit so richtig aufgewacht ist und sich mit dem Steak im Mund zu einer erlesenen wie ebenso stimmigen, harmonischen Kombination verwandelt hat.
Nach zwei Stunden wütet der Porcone mit saftiger Cassisfrucht und einer ebensolch ungeheuren frischen Säure und Konsistenz im Mund, dass man gar nicht mehr aufhören will an ihm zu nuckeln. 14 PS in der Hose, Muskeln wie Chuck Norris und ein Temperament wie ein Duracell-Kanninchen. Oben drauf eine irrwitzige Lebendigkeit die von schwarzer Frucht befeuert wird. Die “Kerbstoffe” haben sich an ihre korrekte Schreibart erinnert und treten nun wieder mit einem G als Führunskraft auf. Am Gaumen weht noch immer einfühlsam das Lied vom Sandkorn aus der Sahelzone. Die Sau aus dem Zanetti’schen Gehege hat sich ausgetobt und ist jetzt willig auch den Hobbyhandwerker nicht völlig blöd aussehen zu lassen. Ich selbst bin wieder einmal hin und weg von dem was der Zanetti in die Flaschen füllt und sage nur: “Das ist genau der Stil von Rotwein dem ich so hoffnungslos verfallen bin.” Darauf in memoriam an Lemmy Kilmister ein extragrosses Glas vom Saft des Butcher’s. Cheers!
Tipp: Unbedingt für eine Stunde in die Karaffe damit. Geht an Luft erst richtig auf. Mit 14-16º geniessen. Keinesfalls zu warm trinken. Schreit nach Steak, nach Ribs und nach Salsiccia mit Bratkartoffeln und Rosmarin. Als Alleinunterhalter nichts für Weicheier. Der braucht einen ganzen Kerl am anderen Ende des Glases.
Verkostet wurde ein Porcone 2010 Butcher’s Reserve von ZIO PORCO WINES di Marco Giovanni Zanetti aus San Michele di Bassano del Grappa (VI), Italien. Bezugsquelle: 225 Liter-Handverlesene Weine, München.
Kategorie: 225 Liter (D), Verkostet