Roter Traminer Hohenegg 2007

| 30. November 2012 Alles lesen

Und weiter geht unsere Verkostungsreihe von ‘Naturweinen’ der Winzer der Wertegemeinschaft Schmecke das Leben. Heute ist der erste Wein vom biologisch-dynamischen und Demeter-zertifizierten Weingut Tauss aus Leutschach in der Südsteiermark an der Reihe. Der Wein den wir auch dieses Mal über zwei Tage hinweg verkosten und erfroschen werden, ist ein Roter Traminer Hohenegg 2007. Auf kalkhaltigen und lehmigen Sandböden (Opok) angebaut, im Oktober 2007 von Hand gelesen und die Trauben schon im Weingarten selektiert, im Anschluss spontan auf der Maische vergoren und in kleinen, gebrauchten und neuen Holzfässern gelagert, kam der Rote Traminer Hohenegg erst im September 2010 in die Flasche. Kurz vor Ende des Jahres 2012 haben wir ihn aufgemacht und sind schon wieder sehr gespannt auf das was uns im Glas, in der Nase und im Mund erwartet.

Auf der grünen Burgunderflasche klebt ein sehr elegantes, in warmen Farben gehaltenes Etikett. Weinrot oben und crémefarbig der Rest des Stück Papiers. Die Umrandung des zurückhaltenden Logos wird durch einen ockerfarbigen Punkt unterbrochen, der wohl die Sonne über der schön und mit einfachen Strichen stilisierten und ebenfalls in ocker gehaltenen Hügellandschaft darstellen soll. Ein sehr schönes, ruhiges, Wärme und Wohlbehagen vermittelndes Design. Kein Kunstwerk, dafür aber umso ‘erdbezogener’. Am Rückenetikett ein paar wichtige Hinweise über den Wein, sowie Tipps zur richtigen Trinktemperatur und eine Dekantierempfehlung.

Selbstverständlich füllen wir den Tropfen in die grosse Karaffe um und geben ihm erstmal zwei Stunden an der Luft. Ebenso selbstverständlich ist die Wahl der Gläser, in diesem Fall die grossen Burgunderkelche. Der Wein mag Sauerstoff und Atmungsfläche. Beides bekommt er.

Verhalten, leise & geheimnisvoll

Auffällig ist, wie klar der Rote Traminer ‘Hohenegg’ schon beim Umfüllen in die Karaffe war. Fast keine Trübung war zu sehen. Zwar ist er nicht klar wie ein Bergsee, steht jetzt aber doch äusserst transparent und leuchtend im grossen Becher und fasziniert mit seiner goldorangenen Farbe. Gelblich im Kern, tieforange der breite Rand. Hat es ganz am Anfang beim Umfüllen intensiv nach Marillen (Aprikosen) in der Karaffe gerochen, so hat sich dieser Duft nach zwei Stunden verflüchtigt und was jetzt aus dem Kelch strömt ist so leise geworden, dass man symbolisch (und vergeblich) den Lautstärkeregler sucht. Am ehesten riecht man Dörrobst mit einem Schuss Erde, überzogen mit einer zarten Schicht Karamell. Es duftet verhalten und trotzdem ausgeprägt, sogar leicht saftig. Eine sehr leise, feine Holznote dreht ihre stillen Runden mit im Glas und verleiht dem Wein eine elegante Note. Schon jetzt macht das Bukett mehr als neugierig wie es sich wohl in ein paar Stunden präsentieren wird. Es ist ein Duft der geheimnisvoll wirkt, der neugierig macht und der gründlich erforscht werden will.

Da ist was Grosses im Kelch

Und dann ist er da, der Rote Traminer ‘Hohenegg’. Fast wie Brandy kommt er auf die Zunge (nur ohne den Alkoholgehalt), macht sich sofort bermerkbar mit seinem erdigen und würzigen Aroma, welches aber weich wie Butter die Zunge und den Gaumen einhüllt. Karamellig fühlt es sich an, weich und kugelrund, fast möchte man vollmundig dazu sagen. Die Zunge will mit dem Tropfen spielen, will ihn fühlen und hat richtig Spass sich durch den vollen Kern zu ‘stochern’. Orangenschalen schmeckt man, fallweise blitzt ein ‘Spritzer’ frecher Säure auf, die aber genauso schnell wieder verschwindet wie sie gekommen ist. Nach dem dritten Schluck merkt man, dass da ganz tief versteckt ein paar Fruchtaromen ihr ‘Unwesen’ treiben, die ganz verschmitzt immer wieder hinter diesem erdigen Mantel hervorblicken. Kann es sein, dass Marzipan in diesem Wein ist? Ja, es kann, und es fühlt sich in Kombination mit dem Brandy-ähnlichen Geschmack wunderbar an. Da ist was wundervolles, was spannendes und richtig aufregendes im grossen Becher und wer dreimal von diesem Saft gekostet hat, dem fällt es schwer ein paar Stunden zu warten bis er das zweite Glas damit füllen darf. Ich mag den Tropfen jetzt schon.

Bittersüsse Frucht im Seidenkleid

Nachdem der ‘Hohenegg’ schon beim ersten Glas begeistert hat, haben die sechs Stunden bis zum zweiten Durchgang eine gefühlte Ewigkeit gedauert. Dafür werden die Sinne jetzt aber gleich zweimal belohnt. Das Bukett ist etwas offener, nicht übermässig, aber immerhin. Es duftet etwas fülliger, gedörrte Orangenscheiben mit einem Hauch erdiger Würze steht im Glas. Und dann ein lautes ‘Hallo’!? Da zieht plötzlich was salzig-fruchtiges über die Lippen. Dabei gleitet der Wein traumhaft weich auf die Zunge. Nachschmecken ist angesagt weil man diesen feinen salzigen ‘Stich’ erst gar nicht einordnen kann. Und doch ist er da. Frech eingenistet in einer durchaus präsenten Orangenfrucht, unglaublich animierend und belebend. Rund und saftig liegt der Tropfen auf der Zunge, über den Gaumen zieht er wie ein in bittersüsse Frucht getränktes Seidentuch. Der Rote Traminer ‘Hohenegg’ ist offener geworden, gibt jetzt mehr von seiner durchaus präsenten Frucht frei, ohne aber seine feine Erd- und Holznote zu verlieren welche sein Gerüst bilden. Was bleibt ist sowohl im Duft wie auch im Geschmack und Mundgefühl die unglaublich vornehme Brandynote, die einfach fasziniert. Ich bin schlichtweg begeistert von diesem Wein und muss die Karaffe wegstellen, damit der Rest bis morgen ‘überlebt’. Von diesem ‘Nektar’ will ich definitiv mehr.

Rostbraunrotoranger Gaumenkünstler

Rostbraunrotorange Erscheinung

Seit mehr als 24 Stunden steht der Rote Traminer ‘Hohenegg’ nun offen in der Karaffe. Sein Bukett hat sich stark verändert, es riecht morbid im Kelch, nach nassem Laub und nasser Erde, nichts ist mehr mit saftig-fruchtig und man muss sich auf diesen neuen ‘Duft’ erst einstellen. Man riecht feine Cognacnoten, es riecht braun, mit etwas Holz angereichert und definitiv nicht nach dem was man allgemein unter Wein versteht. Was richtig fasziniert ist diese Farbe. ‘Rostbraunrotorange’ leuchtet hell und klar mit sich selbst um die Wette. Schöner kann ‘Weisswein’ fast nicht sein.

Entgegen der Veränderung des Duftes fühlt sich der Tropfen im Mund noch konzentrierter, jetzt fast richtig saftig und vollmundig an. Der Salzstich ist geblieben, man schmeckt ein wenig vom feinen Holz sowie der Erde und man spürt wie sich der Wein lange am Gaumen festsetzt und dort haften bleibt. Es kommt wieder dieses ‘Brandy-Gefühl’ im Mund auf, weich und sanft und wärmend beim Abgang, wie echter Weinbrand eben. Nur mit einem Drittel des Alkoholgehalts. Im Nachhall bleibt er ewig lange präsent, man staunt wie voll der Wein sich im Mund anfühlt und wie trocken er gleichzeitig ist. Ebenso fasziniert seine seidig-feine Adstringenz. Seine salzige Mineralik beeindruckt Lippen und Zunge und der Gaumen freut sich über eine peferkt eingebundene Säure die sich dermassen elegant inszeniert, dass es eine reine Freude ist. Ich könnte ad hoc nicht sagen ob der Rote Traminer ‘Hohenegg’ gestern oder heute ‘besser’ war bzw. ist. Er gewinnt mit Sauerstoff, keine Frage, er verändert sich und schafft neue Reize. Eigentlich will ich ihn noch weitere 2-3 Tage ‘beobachten’, nur leider neigt er sich dem Ende zu. Am Abend gibt es dann das letzte Glas und ich bin gespannt was dieses zu erzählen hat.

Rückzugswein für Stunden der Besinnung

‘Nasentechnisch’ hat sich der Wein nicht mehr wesentlich verändert, hat überhaupt nichts eingebüsst oder ist gar abgefallen. Die Lippen cremt er jetzt vielleicht noch weicher und saftiger ein und der feine salzige Stich ist nach wie quietschfidel unterwegs und neckt die Zungenspitze. Am Gaumen fühlt sich der Rote Traminer ‘Hohenegg’ sogar noch konzentrierter, noch ausgeprägter und präsenter an. Eine feine Holzwürze und sein voller Saft streichen ihn förmlich ein. Bei all dem ist der Wein butterweich, wirkt rund ohne mollig zu sein und lässt einen im Abgang und im Nachhall unweigerlich immer wieder an superleichten Brandy mit einem Schuss getrockneter Orangenschalen denken. Ich persönlich finde der Wein passt perfekt zu dieser Jahreszeit, er lässt Weihnachten noch näher erscheinen. Er ist ein idealer Meditationswein. Kein Tropfen den man aufmacht um ihn ‘wegzutrinken’. Das ist Wein für jene die dem Stress entfliehen wollen, die den Rückzug suchen und im Ohrensessel gute Musik geniessen oder ein gutes Buch lesen wollen. Einhalt ist der Begleiter dieses Nektars, er lehrt einen die Zeit neu zu entdecken und schafft es mit links, über zwei und sicher auch über mehr Tage, ein wunderbares Weinabenteuer zu bescheren. Grosses Kino und unvergessliches Erlebnis.

Tipp: Geben sie dem Wein drei Stunden in der Karaffe und geniessen sie ihn dann am besten solo mit 12-14º Trinktemperatur. Erkunden sie ihn innerhalb eines Tages weil er einfach richtig gut schmeckt, oder erforschen sie diesen Nektar über zwei oder gar drei Tage. Grosses Weinerlebnis.

Verkostet wurde ein Roter Traminer ‘Hohenegg’ 2007 vom Biologisch-dynamischen und Demeter-zertifizierten Weingut Tauss aus Leutschach in der Steiermark, Österreich. Das Weingut Tauss ist Mitglied der Wertevereinigung Schmecke das Leben.

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Kategorie: Schmecke das Leben (A), Verkostet