Salvatore 2011
Was dabei rauskommt wenn ein Tontechniker (Harald Pairits) und ein Jurist (Werner Ringhofer) versuchen Wein zu produzieren, dem wird heute auf den Grund gegangen. Ihr Weingut heisst so, wie die Räumlichkeiten der ehemaligen Winzergenossenschaft früher genannt wurden; Die Winzerei. In Grosshöflein im Burgenland (Region Neusiedlersee-Hügelland) bewirtschaften die beiden ungefähr 5 Hektar und einen ihrer Weine habe ich heute hier am Tisch der Wahrheit stehen: Salvatore 2011, ein reinsortiger Blaufränkisch von der Lage Steingraben in Zemedorf. Im offenen Bottich spontanvergoren, 5 Wochen auf der Maische verbracht und im 500 Liter Eichenholzfass ausgebaut ist der Salvatore. Das Pflanzjahr der Rebstöcke in diesem Weingarten ist 1927 und was diese im wahrsten Sinn des Wortes “Alten Reben” zu leisten fähig sind wird jetzt erkundet.
Ein farblich eher unauffälliges, dafür aber umso einprägsameres Etikett klebt auf der Burgunderflasche. Oliv- bzw. schlammgrün ist das Stück Papier das aussieht als wäre es aus Altpapier produziert. Den grössten Teil nimmt eine Grafik ein, die sich in schwarz von oben nach unten im Stile unzähliger Wurzeltriebe ausbreitet. Partiell lackiert (ein Albtraum für jeden Drucker) sind die mal mehr mal weniger feinen Linien und unten drunter steht schlicht und einfach WINZEREI in weiss darauf. Oberhalb die Namen der beiden Winzer Ringhofer und Pairits und ganz unten in einer altmodischen Typo Salvatore 2011. Am rechten äusseren Rand liest man das was unbedingt auf einer Weinbeklebung angeführt sein muss und kein Wort mehr. Was irgendwie ein wenig schade ist in Anbetracht der die Lage und vor allem das Alter der Rebstöcke betreffenden Eckdaten. Zum Luftschnappen wandert der Salvatore für eine halbe Stunde in den Dekanter. Soviel Zeit muss sein.
Sauerkirsche & Wurzelholz
Überraschend hell steht der Salvatore in leuchtendem Rubinrot im Glas. Ebenso überraschend ist die Verhaltenheit im Duft. Leise und gemächlich strömen einem Aromen von Sauerkirschen und Brombeeren, unterfüttert mit einem guten Schuss brauner Würze die Nase hoch. Überhaupt riecht der Wein mehr würzig als fruchtig und zeigt deutliche Erdnoten. Macht erst mit etwas Luft und einigen kräftigeren Umdrehungen wirklich auf und zeigt sich dann unglaublich vielschichtig in seinem Aromenspektrum. Russischer Tee mit einm Stück Wurzelholz drin rundet den so gar nicht ‘typischen’ Blaufränkischduft eindrucksvoll ab.
Spartanisch, abgespeckt, entrümpelt
So überraschend ‘eigenwillig’ wie sich der Salvatore in der Nase präsentiert hat, so überraschend zeigt er sich jetzt auch im Mund. Das Erste was Eindruck schindet ist die frische Säure die dem Tropfen pulsierendes Leben einhaucht. Auf der Stelle schmeckt man saftige Sauerkirschen, spürt rieselnde Tannine am Gaumen und freut sich über das gekonnt harmonische Zusammenspiel. Es fühlt sich leicht und schlank im Mund an, doch steckt genug Kraft dahinter welche vordergründig nicht erkennbar ist. Es wirkt spartanisch, abgespeckt, entrümpelt und klar. Auf der Zunge so gut wie kein Gewicht, dafür umso mehr Struktur. Am Gaumen erdig, würzig, straff und kühl. Und durch alles fliesst ein Strom von griffigen, fast mürbe wirkenden Tanninen. Den Bock schiesst aber ohne jeden Zweifel die frische, ausgeprägte Säureader ab die für puren Spass im Mund sorgt.
Weniger ist definitiv mehr
Ich muss gestehen, ich war ein wenig skeptisch, weil ich was Blaufränkisch angeht absolut verwöhnt bin. Und darum nehme ich jetzt auch meine Zweifel zurück und hebe meinen Daumen für den Salvatore, der sich nach und nach so richtig elegant auf der Zunge und am Gaumen präsentiert. Er hat genug Würze um Kraft und Struktur zu zeigen, genug Frucht um saftig zu schmecken und genug Grip um sich wie feinstes Tuch anzufühlen. Was mich persönlich schwer begeistert ist wie kühl der Wein wirkt, wie frisch und agil der Tropfen im Mund agiert. Ich würde ihn sogar belebend bezeichnen. Dass dem so ist, dafür sorgt diese mehr als kecke Säureader, die aussergewöhnlich präsent ist und den Wein niemals schwer werden lässt. Sie zieht ihm quasi seine Muskeln lang und gibt ihm keine Chance sich ‘aufzublähen’.
Immer mehr lässt sich der Salvatore von der Luft befeuern. Es wird erheblich mineralischer auf der Zunge, man schmeckt Schiefer und Graphit, Schwarztee kommt dazu. Die Würze wird dichter und auch die Frucht zeigt sich klarer definiert. Dabei dominiert nach wie vor eine erstaunliche Frische. Niemals wird es laut, alles ist auf British Understatement gebürstet. Leicht unterkühlt, eher weniger als mehr und dabei klar und vor allem total direkt. Sowie das ‘Ansprechverhalten’ eines Gaspedals sobald man es nach unten drückt. Keine Verzögerung, reagiert sofort. Im Abgang ist der Tropfen einfach traumhaft. Man schmeckt Kirschen, Weichseln, etwas Tee. Man spürt wie seine feine kühle Würze ewig nachhallt, wie frisch sich alles anfühlt. Der Salvatore ist ein überaus eleganter, feingeschliffener Wein, der trotz allem Statur und Charakter hat. Vor allem aber, und das ist die eigentliche Überraschung: Der Tropfen kostet nicht einmal 10 Euro. Sowas kann man machen wenn man nicht auf Kohle angewiesen ist und Weinbau quasi als Steckenpferd betreibt. Mögen die beiden das niemals ändern.
Tipp: Eine Stunde Luft ist empfehlenswert. 16-max.18º im Glas. Zu regionaler Küche, zu Braten, Geflügel, Eintopf und vielem mehr ein sicherer Begleiter. Sorgt als Solist dank seiner erfrischend kühlen Art für richtig grossen Spass.
Verkostet wurde ein Salvatore 2011 vom Weingut Die Winzerei aus Grosshöflein, Burgenland, Österreich. Bezugsquelle: 225 Liter-Handverlesene Weine, München.
Kategorie: 225 Liter (D), Verkostet