Seehof ‘Anno 1811′ Westhofen 2013
Ein Riesling ‘Anno 1811′ steht heute hier am Tisch der Wahrheit. Ist aber aus 2013, keine Sorge. Der gute Tropfen kommt vom Weingut Seehof-Westhofen aus Westhofen in Rheinhessen, welches von der Familie Fauth bereits in der fünften Generation betrieben wird. Zu seinem Namen kommt der Wein aufgrund einer Gedichtzeile von Johann Wolfgang von Goethe, der von diesem Jahrgang, dem “Elfer”, höchst angetan war. Florian Fauth hat den Jahrgang 2013, dem ebensolche Qualität nachgesagt wird, aus den besten Steingrube- und Morsteinpartien geerntet und ihn spontan vergoren. Wie sich ein Riesling 1811 angefühlt und wie er auch geschmeckt haben mag, wird somit der Riesling Anno 1811 aus 2013 versuchen zu vermitteln.
Auf der dunkelbraunen Schlegelflasche klebt ein reinweisses Etikett mit einer auf den ersten Blick abstrakten Grafik die an eine Bordüre erinnert. Erst nach einiger Betrachtung und Gewöhnung durch das Auge stellt sich heraus, dass es sich dabei um den Namen Seehof handelt, welcher oben und unten in einer Blur ähnlichen Schrift angeschnitten aufgedruckt ist. Oberhalb, wie schon die ‘Grafik’ in bronze ist ein Pferd über dem Namen SEEHOF angebracht und unten in schwarz steht Riesling ANNO 1811 Westhofen 2013 drauf. Am rechten äusseren Rand des in einem Stück gedruckten Etiketts noch einmal Riesling Westhofen 2013 sowie alle nötigen Angaben die unbedingt vorhanden sein müssen. Mit 12,5% sollte der ‘Kometenwein’, so bezeichnete man diesen Jahrgang damals, ein ebenso kometenhaftes wie auch leichtes Trinkvergnügen werden. Eingefasst ist die Flasche von einer bronzenen Halsmanschette mit dem Aufdruck Seehof drauf und einem Drehverschluss, von dem sie jetzt befreit wird.
Saftig, reif, spontan
In leuchtendem strohgelb dreht der Anno 1811 seine Runden im Glas. Fruchtig dampft es aus selbigem heraus und befördert saftig-reife Aromen von Marillen und Nektarinen die Nasenflügel hoch. Dabei ist der Duft aber nicht nur fruchtig, auch weisser Pfeffer steht im Glas und eine feine salzige Minerlik vergnügt sich ausgelassen inmitten aller Protagonisten. Über allem schwebt ein zarter Nebel von Spontiduft der sich in diesem Fall sehr fruchtgeschwängert in der Nase anfühlt. Dabei wirkt alles weich und cremig und lässt einen bereits ahnen, dass es in Kürze alles andere als ‘trocken’ im Mund zugehen wird.
Rauchig & leise
Wie schon in der Nase, zeigt sich der Anno 1811 aussergewöhnlich weich und cremig im Mund. Auf der Zunge bewegt er sich richtig vorsichtig, nur um ja nicht zu hart aufzutreten. Was sofort auffällt ist eine fast nicht vorhandene Säure. Ungewöhnlich mild steht der Wein im Mund, man spürt seine ölige Konsistenz die aber alles andere als schmiert. Vielmehr ist es sein runder Körper, butterweich und saftig. Am Gaumen meint man sogar etwas ganz dezent herbes zu spüren, es schmeckt süss einerseits, doch kaum spürt man diese Süsse wird sie von feinem Rauch überzogen und gedämpft. Links schmeckt man süss, rechts Rauch und was bleibt ist eine wunderbare Würze mit Fruchtbegleitung. Dabei bleibt der Wein zurückhaltend, wirkt ausgesprochen zivilisiert und punktet mit den leisen Tönen.
Wie Zucker richtig Spass macht
Schlicht und einfach beeindruckend ist das Gefühl das der Anno 1811 auf der Zunge und am Gaumen hinterlässt. Es fühlt sich griffig an, trotz einem Restzucker von 12 g/l glaubt man es ist herb. Es ist diese Würze und die Rauchigkeit die diesen Wein so herrlich dämpfen und es ist der Saft der diesem runden Körper entweicht und sich darin auflöst. Die unverkennbare Spontanvergärung trägt das ihre dazu bei und macht den Trofen weich und stoffig. Im Abgang schmeckt man Salz und Steine, ummantelt von reifen Nektarinen und Marillen. Der Anno 1811 überrascht mit einer Charakteristik die in der Tat ungewöhnlich ist. Das Kunststück Süsse mit Herbheit sowie Saft mit Stoffigkeit zu verbinden ist alles andere als Alltagshandwerk. Dieser Wein ist ein Gesamterlebnis, das man fühlen und schmecken muss um auch nur eine Ahnung davon zu bekommen, wie sich diese Gegensätze zu einem grossartigen Ganzen vereinen.
Gibt man dem Anno 1811 Zeit dann entwickelt er sich immer mehr hin zum einem richtig mineralischen Tropfen. Über die Zungenränder fliesst er einerseits herb und andererseits leicht salzig ab. Er verwirrt, weil herb so gar nicht ins normale Geschmacksbild passt wenn man einen Wein mit 12 g Restzucker trinkt. Auch die Stoffigkeit lässt einen staunen, ist sie jedoch in Verbindung mit dem dichten Saft und dem runden Körper ein genialer Kontrast zum Gesamtempfinden. Was zulegt ist die Vielfalt an Fruchtaromen die man wahrnimmt (Melone, Ananas, Lychee, Aprikosen, Nektarinen) und auch die Mineralität lässt sich nicht lumpen. Es wird karger im Mund und lässt gleichzeitig alle Eindrücke klarer erscheinen. Um dann im langen Finale wieder mit einer Stoffigkeit zu beeindrucken an die man sich noch lange erinnnern wird. Wenn Süsse herb und Saft stoffig ist, dann macht Zucker richtig Spass. Der Anno 1811 kostet nicht einmal 10 Euro und das was man dafür geboten kriegt ist einfach eine Wucht.
Tipp: Aufmachen und am besten mit 8-10º geniessen. Legt mit der Zeit zu. Zu mildem wie auch würzigem Käse genauso gut wie zu asiatischer Küche. Als Solist ein richtiger Charakterdarsteller mit unglaublich vielen Gesichtern.
Verkostet wurde ein Riesling Seehof Anno 1811 Westhofen 2013 vom Weingut Seehof-Westhofen aus Westhofen in Rheinhessen, Deutschland. Bezugsquelle: Pinard de Picard, Saarwellingen.
Kategorie: Pinard de Picard (D), Verkostet