Spätburgunder Dorf 2012

| 28. Februar 2015 Alles lesen

Einen hatte ich bereits von Andreas Durst, der eigentlich Fotograf ist und nebenbei als Winzer mikroskopisch kleine Mengen ausgezeichneter Weine produziert. Dieser eine war ein Sylvaner der völlig gegen den Strich gebürstet war und nachhaltig Eindruck bei mir hinterlassen hat. Heute steht ein Spätburgunder hier am Tisch der Wahrheit, schlicht und einfach Dorf genannt. Was immer es damit auf sich hat wird noch herauszufinden sein. Im Barrique hat Andreas Durst seinen Spätburgunder Dorf 2012 ausgebaut und weil über diesen Wein schon viel gesprochen wurde war es an der Zeit, mich selbst persönlich mit diesem Tropfen zu beschäftigen. Noch dazu wo ich sowieso immensen Aufholbedarf habe wenn es um die Sorte Spätburgunder geht.

Durst PN Schlegelflasche mit Schraubverschluss. Dunkelbraun, das Glas. Mit einem düster wirkenden Etikett beklebt. Wie aus einem alten Film. Schwarzweiss gehalten, mit einer grossen Gruppe von Radfahrern, aufgestellt in Reih und Glied vor einem Haus. Sieht aus als würde sich ein halbes Dorf versammelt haben. Postkartenromantik aus den 50ern. Links oben DORF in schwarz in Kapitalen. Mehr ist nicht. Muss reichen. Am rechten äusseren Teil des in einem Stück gedruckten Etiketts dann ein paar Informationen damit man wenigstens weiss was in der Flasche drin ist. Ganz wichtig DURST – Ein Name, kein Programm. Wo käme man denn da auch hin? Spätburgunder Pfälzer Landwein steht noch drauf. Pfälzer unterstrichen, Man zeigt Herkunft, ist ja wohl klar. Noch ein paar weitere Infos die so drauf sein müssen und der Hinweis auf lustige 12,5 Umdrehungen komplettieren dieses eigenwillige Stück Weinbeklebung. Damit sich der Wein ein wenig akklimatisieren kann kommt er für eine Stunde in die Karaffe.

Verhalten, still & erdig

Klares, leuchtendes Himbeerrot dreht seine Runden im Burgunderglas. Mehr Würze als Frucht dampft aus dem Glas heraus. Leicht verhalten, kein Gebrüll von Himbeeren, Erdbeeren und sonstigen typischen Spätburgunder-Fruchtvertretern. Eher erdig in der Nase, rauchig, knorrig und auch steinig. Am ehesten blitzen frische Waldbeeren hervor, etwas dürres Holz und eine leichte grüne Würze. Ein ganz stiller Duft der sich seinen Weg durch die Nasenflügel bahnt. Man würde ihm gerne helfen sich etwas mehr zu trauen, weil man ahnt, dass da noch sehr viel mehr in ihm steckt. Sympathische Nase die grosse Neugier auf das Munderlebnis weckt.

Völlig abgefahren

Verwirrt bin. Ist das dünn und mager, oder ist das einfach schlank und bis aufs Gerüst abgetragen? Geht noch weniger im Mund? Es fasziniert. Hinter dieser Kargheit versteckt sich eine ganz lustige Säure und auch die Gerbstoffe sind alles andere als schüchtern. Man hat so gut wie nichts im Mund und spürt wie lebendig und griffig dieses nichts auf der Zunge agiert. Glasklar, karg, und dezent rauchig treibt der Spätburgunder Dorf völlig abgefahren sein Spiel im Mund, man kommt aus dem Staunen gar nicht raus. Dezente grüne Würze, trockene Erde, etwas Holz, wenig Beeerenfrucht. Man ertappt sich dabei wie man ihn genussvoll an den Gaumen presst, um dann seiner frischen Säureader hinterher zu hetzen. Tannine fein wie Rollschotter in Mikropartikelgrösse rieseln über Zunge und Gaumen. Und an den Rändern fliesst er fast schon zitrusfruchtig ab.

Spätburgunder für Bergwerker

Man gebe dem Dorf vom Durst ein wenig Luft. Und staune. Nein, er wird nicht fruchtiger. Er wird noch karger. Dabei umgibt er sich mit einer Mineralik die brutal das Kommando führt. Ja, man schmeckt so etwas wie dunkle Waldbeeren, ganz weit hinten, weit entfernt. Auf der Zunge aber steht ein Saft der kernig ist, der mit soviel straffer Säure unterlegt ist, dass man nicht aufhören will den Wein zu kneten. Man schmeckt, man süffelt, man dreht ihn, wendet ihn, beisst ihn und quetscht ihn. Nur um zu beobachten wie viel sich so ganz wenig anfühlen kann. Oder umgekehrt. Spätburgunder für Bergwerker. Spült den Staub wie Wasser runter und verzichtet auf jegliches peinliche Tütü. Es fühlt sich nackt an, es ist kühl, ungemein frisch und lebendig. Da wird nichts mitgeschleppt was nicht ‘von Nutzen’ ist. So frisch wie der Spätburgunder Dorf agiert tut man sich schwer in nicht in vollen Zügen zu geniessen.

Immer mehr kommt mit der Zeit feiner Rauch dazu, es wird erdiger, noch würziger und letztlich haben es dunkle Beeren doch noch geschafft zumindest merkbar mitspielen zu dürfen. Zugenommen hat der Tropfen dabei aber nicht. Auf der Zunge null Gewicht, nur Dichte, trotz der Schlankheit. Am Gaumen feiner Gerbstoffnebel, viel Schotter und Erdwürze. Im Abgang ein Hauch von Rot, der Rest ist kühle Mineralik. Für mich persönlich ein maßgeschneiderter Spätburgunder. Vordergründig rustikal, erst auf den zweiten Blick erkennbar kühle Eleganz. Kanten hat er, der Dorf, ungeschliffen wirkt er und trinken könnte ich ihn wie die Kuh direkt aus der Tränke. Für andere leicht möglich viel zu dünn, zu mager, zu karg, zu wenig und weiss der Teufel Durst was sonst noch. Für mich ein knackig frischer wie auch kerniger Saufwein mit Charakter der schon weh tut. Phantastischer Minimalismus, schockierend individuell und eigenständig. Der Preis ein Witz. 11 Euro sind für diesen Tropfen schlicht Beleidigung. Der Vorteil: Man kann sich so richtig schön ein paar Flaschen ohne Kontoüberziehung hinter die Binde kippen. Beide Daumen hoch. Fur Durst und alle Dörfer die in Zukunft zu erobern sind.

Tipp: Eine Stunde in die Karaffe damit, besser zwei. Mit 16-18º trinken. Wer mehr Frucht will trinke ihn nach fünf Stunden an. Zu Wild und kräftigen Fleisch-, Federvieh- und Pilzgerichten traumhaft. Unverzichtbar zum Champignon-Speck-Schnittlauch-Omelett! Solo nur etwas für Puristen. Für diese dafür aber umso beeindruckender.

Verkostet wurde ein Spätburgunder Dorf 2012 von Andreas Durst aus Bockenheim in der Pfalz, Deutschland. Bezugsquelle: 225 Liter-Handverlesene Weine, München.

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Kategorie: 225 Liter (D), Verkostet