Sauvignon ‘Blaue Libelle’ 2010

| 25. Juli 2013 Alles lesen

Eine Grüne Libelle hatten wir bereits im Oktober vorigen Jahres bei uns herumfliegen. Heute öffnet die ‘Blaue’ ihre Flügel und macht sich zum finalen Abflug bereit. Andreas Tscheppes Blaue Libelle 2010 ist der letzte Wein aus seinem Sortiment den wir verkosten und gleichzeitig der vorletzte der gesamten Verkostunsreihe von Weinen der Wertegmeinschaft Schmecke das Leben. Ein Sauvignon Blanc von den Lagen Langegg, Czamillonberg und Krebskogel ist dieser Flügelflitzer, der, so heisst es, der ‘kleine Bruder’ der Grünen Libelle ist. Alle Unklarheiten beseitigt? Gut. Wie fast alle Weine dieser Verkostungsreihe stammt auch dieser hier von Opokböden und wir werden in gewohnter Weise auch ihn über die nächsten beiden Tage eingehend erforschen.

blaue libelle Das Etikett das diese Flasche ziert unterscheidet sich zu jenem der ‘Grünen Libelle’ nur durch eines, nämlich, dass die Libelle hier in blau, wie sonst, aufgedruckt ist. Alles andere ist vollkommen ident gehalten. Die Initialen at in Kleinbuchstaben im rechten oberen Eck und im Stil eines Lexikoneintrages wieder [andreas tscheppe] ‘…als Weinbauer’ in blau eingedruckt. Darunter Sauvignon Blanc und fertig. Unter den Flügeln der Libelle steht [Calopteryx splendens], ihr wissenschaftlicher Name, sowie der Vermerk auf ihre ‘Aufgabe’ als Nützling. Am Rückenetikett ein paar weitere nützliche Informationen über den Wein, dass er im Holzfass gereift ist, aus Trauben aus biologischem Anbau stammt und der grosse Hinweis auf das ‘Steirerland’.

Bevor wir der Blauen Libelle aber ihre Flugkünste vorführen lassen muss sie zur Einstimmung für zwei Stunden in der grossen Karaffe ihre Aufwärmrunden fliegen. Danach darf sie in den grossen Burgundergläsern ihre Flügel ausbreiten und sich präsentieren.

Grün, pikant und etwas grasig

Aus dem grossen Becher leuchtet es in sattem goldgelb heraus. Ganz zarte grünliche Reflexe blitzen auf. Die Farbe ist klar und weist keinerlei Trübung auf. Die Nase ziehen intensive grüne Kräuteraromen hoch, begleitet von einem ebenso intensiven Stachelbeerduft. Es riecht ausgeprägt steinig und kalkig, im Ansatz auch recht pikant und würzig. Heublumen, Wiesenkräuter und Gräser sowie eine Wagenladung Mineralik vereinen sich in diesem kräftigen Bukett, welches nach und nach leiser, geordneter und verhaltener wird je länger der Wein im Glas steht. Eine feine Senfnote zieht im Hintergrund einsam ihre Kreise. Auch wenn die Libelle eine ‘blaue’ ist, so ist sie im Duft doch eher grün. Und das, obwohl sie gelb im Glas steht. Alles klar? Im Minutentakt setzen sich die Stachelbeeraromen, vereinen sich mit den Wiesengräsern und der kalkigen Note und ergeben ein ansprechendes Ganzes.

Supersoft, rund, weich und füllig

Kaum im Mund weiss man auf der Stelle eines: Man hat Sauvignon Blanc im Mund. Auch wenn er sich komplett anders anfühlt, extrem weich und rund ist und überhaupt nichts mit herkömmlichen Sauvignon Blancs gemeinsam hat. Die Blaue Libelle zieht fast cremig über die Lippen, wie Balsam und auch auf der Zunge fühlt es sich vollkommen anders an. Man schmeckt zwar die typischen Aromen, nur nimmt man sie in diesem Fall viel opulenter wahr. Fühlt sich ein ‘Stahltank-Sauvignon’ wie ein Gletscherdrop im Mund an, so hat man hier ein weiches Teil á la katjes im Mund. Supersoft, rund, weich, füllig, aber nicht dick. Viel Opokboden und dezenter Kalk über den grünwürzigen Aromen sowie eine Leichtigkeit die beeindruckt. Wie bei allen anderen Weinen von den typisch steirischen Opokböden schmeckt man auch hier diese ganz eigene Würze sehr schön heraus. Gepaart mit den lebendigen Sauvignonaromen eine wohltuende Kombination. Am Gaumen fühlt sich die Blaue Libelle ebenso sanft wie stachelbeerig an, legt einen schönen Film drauf ab und verschwindet in wohliger Trockenheit mit einem durchaus kräutrigen Abgang. Der erste Eindruck dieses Tropfens stimmt erfreulich und macht neugierig aufs zweite Glas, das in ein paar Stunden angetrunken wird.

Ruhig, weich und cremig mild

Am frühen Abend geht es weiter mit unserem blauen Flugobjekt. Im Duft ist die Blaue Libelle wie erwartet sehr ruhig geworden, ohne dabei ihre grünen, pikanten Aromen zu verlieren. Nur dümpeln diese jetzt in einer dichten Wolke aus Kalk und schottriger Mineralik vor sich hin. Auch im Mund zeigt sich der Wein eindeutig in Richtung Boden verändert. Man schmeckt zwar nach wie vor ein wenig Stachelbeere und frische Wiesenkräuter, doch dominiert der Kalk das Mundgefühl und lässt die Libelle dabei weich und angenehm mild auf der Zunge erscheinen. Sogar so etwas wie eine flüchtige Säure kommt zum Vorschein und verleiht der Libelle einen frechen Touch. Sehr lebendig fühlt sich alles an im Mund, aktiv und frisch und wunderbar weich und harmonisch. Überhaupt nicht stoffig, nichts von irgendwelchen Gerbstoffen zu spüren, nicht schwer, nichts was den Wein anstrengend macht. Einfach nur cremig, feingestrickt und mit einem Schuss Zitronengras im Hintergrund versehen. Die Blaue Libelle macht Spass und morgen wird der Rest von ihr unter die Lupe genommen.

In sich ruhend

Am zweiten Tag ist es vollkommen ruhig geworden im Glas. Keine grünen Kräuter mehr, keine Würze, keine pikante Note. Nur mehr weiche Kalkaromen sind zu riechen. Boden pur in der Nase. Auch im Mund ist die Blaue Libelle noch einmal um ein gutes Stück weicher geworden, sie wirkt sogar ein wenig breiter auf der Zunge und rollt jetzt mit einem leicht salzig-mineralischen Gefühl lebhaft über die Ränder ab. Es fühlt sich mild an, man nimmt den Wein nun fast ausschliesslich über das Mundgefühl denn über den Geschmack wahr. Kalkig ist es am Gaumen, sehr fein, und ganz weit hinten matchen sich noch die letzten verbliebenen Aromen von Gras und Kräutern. Wie schon bei der Grünen Libelle festgestellt hat sich auch die ‘blaue’ vom ersten auf den zweiten Tag von einem rassigen Kampfjet in einen komfortablen Megaliner verwandelt. War gestern noch alles lebhaft, intensiv und unorganisiert im Sinn vom ‘alle wollen ihre 5 Minuten Ruhm’, so zeigt sich der Wein heute vollkommen verwandelt und in sich ruhend.

Was ich für mich persönlich beim Erkunden dieser Weine festgestellt habe ist, dass ich diese Art von Weinen immer öfter sehr gerne als Arbeitsbegleitung zu meinen ‘Nachtschichten’ geniesse. Es ist eine vollkommen andere Wahrnehmung von Wein. Sie lenken weniger ab weil sie so sehr in sich ruhen und sich mehr über den Boden denn über primäre Fruchtaromen definieren. Sie lassen mich irgendwie auch entspannter meine Dinge tun. Sie ‘entschleunigen’ mich während meiner Arbeit und sind gewissermassen so etwas wie eine kleine Flucht aus dem Weinalltag. Die Blaue Libelle hat das Zeug dazu all diese Impressionen zu vermitteln und es macht richtig Spass sie bei ihrer Wandlung, auch über mehrere Tage hinweg, zu beobachten. Toller Wein, tolles Feeling und ein absolut tolles Weinerlebnis! Mehr davon haben will.

Tipp: Machen sie den Wein ruhig 3-4 Stunden vor Genuss auf und lassen sie ihn atmen. Nicht zu kalt, am besten bei ca.14º und aus dem grossen Burgunderglas geniessen. Erleben sie ihn über zwei und mehr Tage und lassen sie sich einfach treiben.

Verkostet wurde ein Sauvignon ‘Blaue Libelle’ 2010 vom Weingut Andreas Tscheppe aus Glanz an der Weinstrasse/Leutschach in der Steiermark, Österreich. Das Weingut Andreas Tscheppe ist Mitglied der Wertevereinigung Schmecke das Leben.

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Kategorie: Schmecke das Leben (A), Verkostet