‘La Courtade’ rouge 2009

| 10. März 2012 Alles lesen

Was heute ins Glas kommt bereitet mir eine ganz besondere Freude, stammt dieser Wein doch von einem Winzer in dessen ersten getrunkenen Wein ich mich spontan verliebt hatte. Das war voriges Jahr ein ‘La Courtade’ Côtes de Provençe blanc von Richard Authers Domaine de La Courtade auf der Insel Porquerolles, der grössten der Inselgruppe von Hyères vor der Côte d’Azur. Heute macht den Anfang der ersten Verkostungsrunde seiner Weine der ‘La Courtade’ Côtes de Provençe rouge, ein Wein der eigentlich noch gar nicht aufgemacht werden dürfte. Richard Authers Weine, speziell die Roten, sind nämlich für den Keller gemacht, wo sie sich locker fünfzehn bis zwanzig Jahre halten. Dass wir den Jahrgang 2009 schon heute öffnen hängt mit unserer unbändigen Neugier zusammen. Wir wollen wissen wie dieser Wein schmeckt der erst in drei bis vier Jahren anfängt ‘rund’ zu werden. Wir haben natürlich auch einen 2006er hier, aber den verkosten wir erst ganz am Schluss. Wenn der Kreis geschlossen wird und wir den direkten Vergleich der beiden Jahrgänge haben. Heute starten wir mit dem ‘La Courtade’ rouge aus 2009 und weil wir sicher sind, dass dieser Knabe noch mehr als ruppig ist, kommt er erstmal für zwei Stunden in den Dekanter.

Wie schon beim ‘La Courtade’ blanc ziert auch diese Flasche ein turmhohes Etikett mit einer stilisierten blauen Amphore. Auch dieses Stück Papier mit stilvoller Typographie bedruckt und alles drauf was drauf sein muss. Was in der Flasche drin ist erfährt man am Rückenetikett, welches in französisch gehalten ist. 97% Mourvèdre und 3% Syrah, 15 Monate im Barrique gereift bevor er in die Flasche kam.

Mourvèdre ist auch der Grund, warum der Wein für wenigstens zwei Stunden zur Belüftung in den Dekanter kommt. Nicht nur, dass der Wein noch sehr jung ist, ist Mourvèdre auch ein äusserst tanninreicher Wein, der Jahre in der Flasche braucht um seine Adstringenz abzubauen. Ein Wein, wie bereits erwähnt, für den Keller gemacht. Für Sie aber heute schon probiert und einen neugierigen Blick in die Zukunft riskiert.

Nach zwei Stunden ist der ‘La Courtade’ soweit ‘zwangsbeatmet’, dass ein erstes Glas probiert werden kann. Der Rest bleibt für eine weitere Stunde im Dekanter um sich austoben zu können. Im Glas zeigt sich der Wein in einem tiefdunklen granatrot mit einem fast schwarzen Kern. Sehr dicht und saftig sieht es darin aus und fett schmiert der Film von der Glaswand ab.

Brutal, exzentrisch und extrem

Und dann grosses Staunen in der Nase. Kaum hat man sie ins Glas gesteckt glaubt man in der Apotheke gelandet zu sein. Es riecht wie einem Medizinschrank. Totale Verwirrung macht sich breit. Das Ganze in eine Würze gepackt die fast weh tut und soviel Mineralik freigibt, dass man erst gar nicht weiss wo man diesen Geruch einreihen soll. Das ist definitiv das intensivste und extremste Bukett das ich je gerochen habe. Vollkommen ‘neben der Spur’, brutal, extrem und gerade deshalb ausserordentlich faszinierend. Dieses Bukett ist die reinste Herausforderung und man tut gut daran alles was man bisher geruchstechnisch’ abgespeichert hat über Bord zu werfen. Dieser Duft ist sowas von exzentrisch, dass es keine Option zwischen mögen oder hassen geben kann. Ich mag ihn am Ende aber, auch, oder gerade weil ich Zeit brauche um mich mit ihm anzufreunden.

Überbordender Gewürzkorb

Was sich nach diesem radikalen Geruchsabenteuer dann im Mund abspielt ist nicht minder ‘von schlechten Eltern’. Oder besser gesagt, der Grad der Verwirrung steigt und man weiss nicht mehr wirklich was da über Zunge und den Gaumen fliesst. Es ist ein totales Erlebnis. Eines der etwas anderen Art zwar, aber ein Erlebnis ist es allemal. Der ‘La Courtade’ wirkt kühl und die zwei Stunden im Dekanter waren nicht zu kurz. Kräftig wie es zu erwarten war in den Gerbstoffen, packen diese zu, verpelzen aber nicht die Mundhöhle. Die Zeit hat ihm gut getan und ihn auf ‘Trinkbarkeit’ gebracht. Umspielt von einer festen, sehr präsenten Mineralität spürt man die volle Würze dieses Weines und stellt überrascht fest, dass hier keine Frucht auszumachen ist.

Wenn jemand wirklich Terroir sucht, in diesem Wein findet er es. Für mich persönlich ist das der exzentrischeste Wein den ich jemals getrunken habe. Und ich mag ihn. Weil ich mich mit ihm zusammenraufen muss und dabei feststelle wie viel Spass es macht einen Wein wirklich zu erforschen. Meine generelle Abenteuerlust unbekannte Weine ‘erleben’ zu wollen ist dabei sicherlich von Vorteil.

Geschmacklicher Frontalaufprall

Diesen Wein zu beschreiben ist nicht einfach weil man alles was man bisher im Mund hatte vergessen kann, weil man nicht weiss wohin man es zuordnen soll. Da gibt es nichts Fruchtiges, nichts Freundliches, der Bursche ist ein ‘wilder Hund’ und schert sich nicht im Geringsten um vinophile Befindlichkeiten. “Trink mich oder lass die Finger von mir, Weichei” hört man ihn fast sagen. Und genau so ist es auch. Sie wollen Leder, Tabak, Tee und Zedernholz im Wein und freuen sich wenn Sie auf Schiefer ‘beissen’? Genial, der Wein wird Sie vom Hocker werfen. Sie wollen runden, reifen, leicht verständlichen Wein? Dann bleiben Sie am besten ganz weit weg von ihm. Der ‘La Courtade’ rouge ist Terroir pur, schreit nach unendlich viel Aroma bei der Speisebegleitung und ist im Sommer, leicht gekühlt, der sicher ungewöhnlichste Begleiter den Sie jemals im Glas hatten. Die Runde ist dermassen konsterniert, dass es richtig Spass macht die verduzten, teils ratlosen Gesichter zu sehen und zu wissen, dass man hier einen Volltreffer gelandet hat.

Was aus dieser Flasche kommt und im Glas dahin ‘dampft’, das ist ganz grosses Weinkino. Nach drei Stunden im Dekanter wirkt der ‘La Courtade’ ein wenig verträglicher, hat Erbarmen mit seinem Trinker und zeigt sich ein wenig ‘rücksichtsvoller’. Das, was man sich jetzt sehr gut vorstellen kann ist, wie der Wein in zwei, drei oder mehr Jahren schmecken und sich anfühlen wird. Wenn alles was er jetzt schon in sich trägt zusammengefunden hat, langsam erwachsen geworden, gereift ist und sich zu einem grossen Ganzen zusammengefügt hat. Es muss das reinste Vergnügen sein.

Goldschatz in der Flasche

Ich gebe zu ein absoluter ‘Weinabenteurer’ zu sein und deshalb mit grösstem Vergnügen Weine zu entdecken, die mich vorerst an die Wand schleudern. Die mich dazu zwingen einen ‘Reset’ zu machen, mich zu öfnnen und alles was ich über Wein weiss (und nicht weiss) zu vergessen und/oder unbeachtet zu lassen und dann gewillt zu sein, sich dem was kommt einfach ‘auszuliefern’. Wenn Sie auch zu diesen Weinfreunden gehören versuchen Sie den ‘La Courtade’ rouge, lassen Sie sich umhauen, geben Sie sich diesem Inselwein hin und verbuddeln Sie eine Kiste vom 2009er wo immer sich dazu Gelegenheit bietet. Okay, der gute Tropfen kostet wenigstens 20 Euro, entspricht in keinster Weise dem deutschen oder österreichischen Geschmacksideal, aber: Der ‘La Courtade’ rouge von Richard Auther ist ein Goldschatz in der Flasche, auch wenn er rot ist und erst in ein paar Jahren seine wirkliche Grösse zeigen wird. Das ist kein teurer Kaufpreis, das ist ein Investment in eine aufregende Weinzukunft.

Tipp: Füllen Sie den ‘La Courtade’ für mindestens zwei, noch besser drei Stunden in den Dekanter und bereiten Sie sich geistig auf ihn vor. Geniessen Sie ihn in der kalten Jahreszeit bei 16-18º und im Sommer etwas gekühlt zu mediterraner, gut gewürzter Küche und wenn Sie ihn solo ‘geniessen und spüren’ wollen, dann gehören Sie bereits zu den wahren Könnern.

Verkostet wurde ein ‘La Courtade’ rouge 2009 von der Domaine de La Courtade auf der Insel Porquerolles vor der Côte d’Azur, Frankreich. Zur Verfügung gestellt wurde uns der Wein von Richard Auther, von der Domaine de La Courtade.

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Kategorie: La Courtade (F), Verkostet