Radikal 2013 Grüner Veltliner
Vor knapp einem Jahr ging es richtig radikal zu in der Hütte. Da hatte ich einen Grünen Veltliner von Herbert Zillinger aus dem Weinviertel zur Verkostung und war wie vom Blitz getroffen. Der Radikal 2012 war der abgefahrenste Grüne Veltliner den ich jemals getrunken habe. Heute habe ich das Vergnügen den Radikal 2013 eingehend zu erforschen und bin deshalb mehr als gespannt, weil ich diesen Wein bereits voriges Jahr auf einer Veranstaltung kosten durfte, er aber erst vor Kurzem in den Handel gekommen ist. Eines kann ich verraten. Er war damals bereits anders, und wie er jetzt ist wird sich in Kürze zeigen, sowie der gute Tropfen seines Schraubverschlusses entledigt wurde.
Überhaupt nichts Neues gibt es von der Zillinger’schen Designfront zu vermelden. In gewohnt brillanter und bekannter Ausführung, steht die Burgunderflasche am Tisch der Wahrheit. Umzingelt von unzähligen in sich verschlungenen Ornamenten sowie dem grossen dunkelschwarzen Z steht RADIKAL in kupferfarbigen Grossbuchstaben in der Mitte. Das Etikett ist wie gewohnt wie eine Briefmarke gezackt, im unteren Teil ebenso in kupfer Grüner Veltliner in grossen Buchstaben. Am weissen Rückenetikett liest man oben wieder Weinviertel DAC Reserve und erfährt ebenso ein wenig über die Edition Z, sowie der Philosophie dahinter. Anstelle der 13,5 PS die der 2012 hatte, sind es beim 2013er nur mehr 13 die für Vortrieb sorgen. Der 2012 brauchte voriges Jahr schon eine ganze Weile um sich so richtig zu entfalten und durfte deshalb lange in der Karaffe auf seinen Auftritt warten. Der Radikal 2013 kommt deshalb auch für wenigstens zwei Stunden in den Bottich und wird im Anschluss über den Tag hinweg verkostet. Das mag er, das gefällt ihm, so lernt man ihn am besten kennen. Und noch etwas: Bitte unbedingt den Burgunderkelch verwenden. Alles andere ist Folter für den guten Tropfen.
Bratapfel im eleganten Kleid
In kräftigem goldgelb steht der Radikal 2013 im grossen Becher. Was sofort auffällt, ist: Er trieft nicht mehr vor Saft, er ist feiner geworden. Man riecht Bratapfel, ein Schuss grüne Nuss dümpelt im Hintergrund herum und man bemerkt auch wieder diese feinen Aromen von frischem Lebkuchen. Hat der 2012 noch richtig “getropft” in der Nase, so zieht der 2013 entschlackter die Nasenflügel hoch. Es ist etwas mineralischer geworden, man spürt mehr den Boden in der Nase und nimmt die Fruchtaromen wesentlich verhaltener wahr. Der Duft hat sich von seiner vormaligen Üppigkeit getrennt, ist etwas eleganter geworden, ohne dabei aber seine sündig verführerische Charakteristik zu reduzieren.
Fein, leicht & luftig
Im Mund zeigt sich der Radikal 2013 was das Gefühl betrifft von seiner feineren, schlankeren Seite. Auf die Zunge kommt er wie gewohnt gelb und steht mit fester Würze am Gaumen. Es ist weich und wirkt ausgesprochen sanft, dabei merkt man aber, dass weniger Gewicht vorhanden ist und alles irgendwie luftiger wirkt. Wer den 2012 noch im Kopf hat der wird feststellen, dass der 2013 dessen zehn Kilo leichterer Bruder ist. Der Bratapfel ist in gewohnter Form vorhanden, man schmeckt Ringlotten und auch zarte Nussaromen. Auf der Zunge steht er leichter und am Gaumen spürt man auch hier wieder diese Würze, die jedoch weniger “scharf” über ihn hinweg zieht. Dazu muss man anmerken, dass sich gerade diese Schärfe in Kombination mit der saftigen Opulenz des 2012 perfekt vertragen hat und ein aussergewöhnliches Erlebnis war. Beim Radikal 2013 steht es ihr gut an sich etwas gezügelter zu zeigen, weil der Wein als Ganzes feiner ist und somit unter zuviel Schärfe leiden würde. Somit ist auch hier wieder alles im Lot und wunderbar harmonisch.
Befeuert Intellekt UND Seele
Es ist faszinierend den Radikal 2013 zu verkosten, dabei die unvergesslichen Eindrücke des Radikal 2012 im Hinterkopf zu haben und so den permanenten Vergleich ziehen zu können. Dabei tritt immer mehr die Erdigkeit, die Kalkigkeit des 2013 in den Vordergrund. Es ist alles von 2012 da, nur 2013 wird definitiv vom Boden dominiert. Man schmeckt die bekannten Apfelaromen, man spürt sehr wohl Saft auf der Zunge stehen, nur erheblich weniger opulent als 2012. Es ist weisser geworden ohne das Gelb abzustreifen, es ist weniger scharf ohne an Schärfe verloren, weniger würzig, ohne Würze eingebüsst zu haben. Es ist als hätte man einem Auto statt einer Stahl- eine Aluminium-Karosserie verpasst. Rundherum ist alles gleich, nur ist es leichter und spart Energie. Am Nachmittag, nach einigen Stunden in der Karaffe, steht ein weicher, erdig betonter Wein im Mund und sorgt mit einem feinen kalkigen Film auf der Zunge für Wohlgefühl. Man spürt sehr wohl Saft und Dichte, doch ist alles in diesen feinen Film eingearbeitet und kommt nie in Versuchung triefend zu werden. Die Würze die am Gaumen steht ist kräftig aber nicht drückend, es ist lang und wohlig im Abgang und auch im Nachhall.
War der Radikal 2012 ein ungemein körperreicher Wein, so ist der Radikal 2013 entschlackt, wesentlich leichter im Mundgefühl und eindeutig erdiger. Als hätte man ihn für ein Jahr den Weight Watchers überlassen. Sein sündiger Charme ist der gleiche geblieben, nur die Kleidergrösse hat sich von 40 auf 36 verringert. War 2012 noch ein Wein dem man Zeit geben musste, den man nicht einfach so zwischendurch mal aufgemacht hätte, so ist 2013 im Vergleich dazu fast schon gefährlich “trinkig”. Viel Bratapfel, viel Würze, viel Pfeffer, jede Menge Erde und ganz nah am “Idealgewicht”. Es fällt mir schwer den einen oder anderen hervor zu heben, einen der beiden zu bevorzugen. 2012 war die pure Sünde. Dazu musste man jedoch auf Sünde stehen und bereit sein sie reuelos zu geniessen. 2013 hat diese sich neu erfunden, wie Lagerfeld als er sich von 120 auf 60 Kilo reduzierte und wie Phönix aus seiner eigenen Asche stieg. Genau so geht es mir mit dem Radikal 2013. Drum würd’ ich sagen, dass der Radikal von 2012 der Meister sündhafter und verschwenderischer Opulenz war, jener aus 2013 hingegen ein Charmeur ist der es gekonnt versteht, die Nostalgie in eine neue, entrümpeltere Zeit zu überführen. Ich mag beide, weil jeder für sich das Beste für eine bestimmte Befindklichkeit darstellt. Der Radikal 2013 befeuert quasi Intellekt UND Seele. Ich hab jetzt beide hier und werde mich in Zukunft fragen wie es mir gerade geht um auszuloten, welcher der beiden mich dabei begleiten darf.
Tipp: 90 Minuten in die Karaffe und dann mit 12-14º aus dem Burgunderglas geniessen. Wiener Küche, auch Fisch- und Gemüsegerichte veredelt er gekonnt. Solo zur entspannten Unterhaltung mit sich selbst, ein wunderbarer wie charmanter Zeitgenosse.
Verkostet wurde ein Grüner Veltliner ‘Radikal’ 2013 vom Weingut Herbert Zillinger in Ebenthal im Weinviertel, Niederösterreich.
Kategorie: Verkostet, Zillinger (A)